Virtuelles Onboarding Jobstart in Corona-Zeiten: So klappt die Einarbeitung von zu Hause aus
![Victoria Bulanova kennt ihre Kollegen nur aus virtuellen Meetings. „Eine spezielle Situation“, sagt sie. Ihr Vorgesetzter Martin Schönfeld sagt: „Videoschalten machen es einfacher, die neue Kollegin zu unterstützen.“ Quelle: Henkel/Bloomberg [M]](/images/beispiel-henkel/25810256/4-format2020.jpg)
Victoria Bulanova kennt ihre Kollegen nur aus virtuellen Meetings. „Eine spezielle Situation“, sagt sie. Ihr Vorgesetzter Martin Schönfeld sagt: „Videoschalten machen es einfacher, die neue Kollegin zu unterstützen.“
Düsseldorf Blumen zur Begrüßung gibt es keine. Auch auf den Handschlag muss Victoria Bulanova verzichten. Ihr erster Arbeitstag bei Henkel: An der einen Ecke im Meetingraum sitzt sie, ihr Vorgesetzter an der anderen. Den Laptop und das Handy schiebt er zu ihr herüber.
Das war am 1. April. Seitdem arbeitet die Kommunikationsfachfrau von zu Hause, ihre Kollegen sieht sie nur durch den Monitor – mitunter unscharf und verpixelt. „Das ist schon eine ganz spezielle Situation.“
Ganz ähnlich ergeht es Mario Fleiter. Den Firmencampus von Adidas hat er seit seinem Jobantritt noch nicht gesehen. Selbst den Laptop bekam er per Post. Eigentlich wollte Fleiter die künftigen Produkte des Sportherstellers testen, nun macht er kleinere Prüfungen zu Hause, ist damit vorerst zufrieden: „Ich bin froh, in der Krise überhaupt einen Job antreten zu können. Freunde von mir wurden gar nicht mehr eingestellt.“
Ungewöhnlich war auch der Start in den neuen Job von Massimo Monteleone. Zum Bewerbungsgespräch war er noch in den Büros des Softwareherstellers Avira gewesen. Seine Kollegen lernte er aber bislang nur virtuell kennen. „Es ist schon ein wenig komisch, dass ich anderthalb Monate im Job bin und noch keinen Kollegen persönlich getroffen habe“, sagt der Kundendienst-Mitarbeiter.
Ob Bulanova, Fleiter oder Monteleone: Wer in der Pandemie eine neue Stelle antritt, muss den Jobeinstieg aus dem Homeoffice bestreiten – ohne Kollegen und Abläufe persönlich kennen lernen zu können.
Schon in normalen Zeiten ist das Onboarding für manche Firmen ein Problem. Katharina Hain (Rekrutierungsexpertin bei Hays)
Das ist keine einfache Situation. Denn gerade die Neuen brauchen in den ersten Tagen Orientierung im Betrieb und ein Gespür für die Firmenkultur. Nun heißt es: Videoschalte statt Willkommenstag, heimischer Schreibtisch statt Firmenführung, Kühlschrank statt Kantine.
Zwar stehen bei vielen Firmen Kurzarbeit und Entlassungen an. Andere stellen aber weiterhin ein – was gerade eine große Herausforderung ist. Katharina Hain, Rekrutierungsexpertin beim Personaldienstleister Hays, sagt: „Schon in normalen Zeiten ist das Onboarding für manche Unternehmen ein Problem.“ Der Begriff stammt aus dem Personalmanagement, beschreibt, wie neue Mitarbeiter eingearbeitet werden müssen.
Für Jens Jahn, Partner und Personalexperte bei der Boston Consulting Group (BCG), ist beim virtuellen Jobeinstieg die Gefahr gegeben, dass beide Seiten frustriert sind: „Für den neuen Mitarbeiter ist es aus der Ferne viel schwieriger, Vertrauen aufzubauen und zu überzeugen.“ Manager wiederum könnten die Sorgen ihrer neuen Mitarbeiter aus der Ferne übersehen.
Dennoch muss es auch in Zeiten von Corona auf Distanz gelingen, einen Job-Start erfolgreich zu ermöglichen. Wie aber gelingt die Integration der neuen Mitarbeiter? Und wie kann sie erfolgreich gemanagt werden?
Henkel: Videocalls mit der Neuen
Der Konsumgüterhersteller Henkel hat darauf eine klare Antwort: mit Videoschalten. Im Kalender von Victoria Bulanova sind jede Woche fünf bis sieben Videoanrufe fest terminiert, jeweils für 30 Minuten. Das Ziel: die persönlichen Seiten der elf Teamkollegen kennen zu lernen, schließlich entfällt der Plausch in der Kaffeeküche.
Ein echtes Treffen könne das zwar nicht ersetzen, sagt Bulanova. Aber: „Die Videoschalten sind schon sehr wertvoll, weil ich so überhaupt mit den Kollegen in Verbindung treten kann.“ Das habe ihr den Start erleichtert. Die 29-Jährige arbeitet in der Kommunikationsabteilung an den Internetseiten des Konzerns.
Für Henkel-Personalchef Oliver Wilhelms ist es wichtig, dass die neuen Kollegen per Video eingebunden werden, „das schafft Nähe, fördert ein Teamgefühl und erleichtert den Austausch“. Dennoch sei die Situation ungewohnt. Was helfen soll: ein Onboarding-Plan, der zum Beispiel vorsieht, welche Kollegen und Kunden die neuen Mitarbeiter in den ersten sechs Monaten treffen sollen. Eigentlich ist es eine Mischung aus Online- und Offlinemeetings, jetzt läuft alles virtuell ab.
Für Experten ist das Vorgehen von Henkel richtig. Denn die größte Hürde für neue Mitarbeiter ist es, persönliche Beziehungen aufzubauen. Normalerweise können Neulinge in der Kantine oder über spontane Gespräche im Flur herausfinden, mit welchen Kollegen sie auf einer Wellenlänge sind – und mit welchen nicht.
Das fällt nun weg, könne aber durch Videoschalten ein Stück weit kompensiert werden, sagt BCG-Experte Jahn. Die Erfahrung zeige: Neue Arbeitsverhältnisse scheitern selten an fehlenden fachlichen Fähigkeiten, sondern eher an zwischenmenschlichen Problemen.
Martin Schönfeld ist der Vorgesetzte von Bulanova. „Chat-Tools und Videoprogramme machen es mir einfacher, die neue Kollegin zu unterstützen“, sagt er. In der aktuellen Krise sieht der 40-Jährige auch einen Vorteil: „Victoria lernt die Kollegen nun viel systematisierter kennen als im Büro.“ Zudem sei nicht alles in eine Woche gequetscht, sondern verteile sich besser. „Auch im Büro sollten wir künftig feste Zeiten für Kennenlerngespräche blocken.“
Adidas: Laufeinheit zum Kennenlernen
![Mario Fleiter (r.) hat den Firmencampus noch nicht gesehen. Aber: „Ich bin froh, in der Krise überhaupt einen Job antreten zu können.“ Sein Teamleiter Harald Körger war letztens mit Fleiter joggen, um ihn besser kennen zu lernen. Quelle: Adidas [M]](/images/beispiel-adidas/25810260/3-format2020.jpg)
Mario Fleiter (r.) hat den Firmencampus noch nicht gesehen. Aber: „Ich bin froh, in der Krise überhaupt einen Job antreten zu können.“ Sein Teamleiter Harald Körger war letztens mit Fleiter joggen, um ihn besser kennen zu lernen.
Eigentlich hätte Mario Fleiter seinen Job in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Adidas mit einer Sporteinheit beginnen sollen – so wie die 20 anderen Mitarbeiter auch, die zum 1. April angefangen haben. Für die Neuen gibt es am ersten Tag Vorträge aus allen Abteilungen und eine Tour über den Campus – Abstecher ins firmeneigene Fitnessstudio inklusive. In der Krise finden die Vorträge virtuell statt, die Campustour ist abgesagt.
Fleiter wurde angestellt, um die künftigen Produkte des Sportherstellers zu testen. Doch das Firmenlabor ist in der Pandemie für ihn nicht zugänglich. „Ich vermisse die praktische Tätigkeit schon“, erzählt der 32-jährige Sporttechnologe, der sich nun auf die Theorie beschränken muss: Bedienungsanleitungen lesen, Videos anschauen – und die Datenbank der Testergebnisse optimieren.
In diese wichtige Aufgabe ist er hineingeraten, weil er Kollegen erzählt hat, dass er großen Wert auf Struktur lege. „Ich habe kein Problem damit, auf die neuen Kollegen zuzugehen und sie bei Fragen einfach mal anzurufen“, erzählt Fleiter.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass sich neue Mitarbeiter beim virtuellen Jobeinstieg proaktiv einbringen. Selbstständig sein, Projektfortschritte teilen, Nachfragen stellen – das ist nicht jedermanns Sache, weiß Hays-Expertin Hain. „Introvertierte Mitarbeiter brauchen nicht zum Pausenclown zu werden, aber sie müssen schon offen und regelmäßig kommunizieren, um auf sich aufmerksam zu machen.“
Auch für die Führungskräfte ist die Einarbeitung aus dem Homeoffice eine schwierige Aufgabe. Das gibt auch Harald Körger, der Teamleiter von Fleiter, zu. Die aktuelle Lage ist auch ein Lernprozess für ihn. „Letztens erst habe ich bei einem Meeting gedacht: Verflixt, hier hätte auch der Mario dabeisitzen sollen“, sagt der 52-Jährige. „Ich glaube, es ist einfach menschlich, dass man nicht immer an die neuen Kollegen im Homeoffice denkt.“
Den neuen Kollegen zu Hause vergessen – diese Gefahr sehen auch Experten: „Die Verbindung ist einfach noch nicht so etabliert, weil man sich nicht persönlich sieht“, sagt BCG-Berater Jahn. Daher sollten sich Führungskräfte bewusst Termine in den Kalender setzen, um sich mit dem neuen Kollegen auszutauschen.
Oder man macht es wie Adidas-Manager Körger: Er ging gemeinsam mit seinem neuen Mitarbeiter joggen, um sich auszutauschen und ein Lichtschrankensystem aus dem Labor zu übergeben. Seine Adidas-Sporteinheit hat Fleiter damit schon absolviert.
Avira: Virtueller Tischnachbar für Fragen
![Massimo Monteleone war nur zum Vorstellungsgespräch im Büro. „Die Kollegen wissen, dass es für mich eine besondere Situation ist“, sagt er. Seine Vorgesetzte Ioana Ivan sehnt persönliche Treffen im Büro herbei. Quelle: Avira/Getty Images [M]](/images/beispiel-avira/25810264/3-format2020.jpg)
Massimo Monteleone war nur zum Vorstellungsgespräch im Büro. „Die Kollegen wissen, dass es für mich eine besondere Situation ist“, sagt er. Seine Vorgesetzte Ioana Ivan sehnt persönliche Treffen im Büro herbei.
Als Massimo Monteleone Mitte März den Rechner zum ersten Mal hochfährt, ist er nervös. Um 8.30 Uhr trifft der Kundendienst-Mitarbeiter seine zehn Kollegen zum ersten Mal – bei einem virtuellen Teamtreffen. Inzwischen ist das für den 28-Jährigen Alltag.
Geholfen hat, dass er sich bei Fragen gleich an zwei Paten wenden konnte: Während ein Buddy für die soziale Integration zuständig ist, aber auch Visafragen klärt, hilft ein virtueller Tischnachbar „bei den kleinen Fragen im Alltag“, sagt Avira-Personaler Martin Vennemann. Die Gesprächsangebote scheinen zu helfen: „Auch wenn ich noch nicht im Büro war, fühle ich mich als Teil des Teams“, sagt Monteleone.
Fachleute raten Firmen dazu, einen Paten zu nominieren, der den Neuling beraten kann. Eine Schwierigkeit, die dennoch bleibt, beschreibt Rekrutierungsfachfrau Hain. Im Homeoffice hätten es neue Mitarbeiter schwerer, mit ihren Leistungen zu überzeugen: „Viele Neulinge wollen sich anfangs mit einer Glanzleistung hervortun, sind dann aber schnell ernüchtert, wenn sie die Prozesse nicht so schnell verstehen können wie unter normalen Bedingungen.“
Avira-Mitarbeiter Monteleone lässt sich nicht unter Druck setzen. „Die Kollegen wissen, dass es für mich eine besondere Situation ist.“
Monteleone war bei Avira der erste von 20 Mitarbeitern, der während der Pandemie zu Hause den Job begonnen hat. Besonders gerne startet er mittlerweile seinen Rechner freitags. Dann ist das Team zum „Fashion Friday“ verabredet. Beim morgendlichen Meeting verkleiden sich alle nach einem wechselnden Motto
„Das lockert die schwierige Situation für alle etwas auf“, sagt Teamleiterin Ioana Ivan. „Und es macht es für Massimo einfacher, dass er sich bei uns wohlfühlt.“
Fazit: Persönliche Einarbeitung ist nicht zu ersetzen
Egal ob Henkel, Adidas oder Avira: Die Personalabteilungen der Unternehmen sehnen die Zeit nach den Kontaktbeschränkungen herbei – auch wenn es gerade irgendwie funktioniert. Adidas-Personaler Georg Fuchs sieht „kaum Vorteile“ beim virtuellen Jobeinstieg. „Der persönliche Eindruck für das Aufbauen der Beziehungen ist durch nichts zu ersetzen.“
Sobald es die Situation zulasse, werde man den Jobeinstand wieder persönlicher gestalten. Auch Henkel und Avira wollen so bald wie möglich wieder auf persönliche Elemente setzen.
Viele Firmen mussten ihre Einarbeitungen überdenken und hatten Gelegenheit, ihre Prozesse zu optimieren. Jens Jahn (Partner bei BCG)
Für BCG-Experte Jahn ist die Krise aber auch eine Chance: „Viele Firmen mussten ihre Einarbeitungen überdenken und hatten Gelegenheit, ihre Prozesse zu optimieren.“ Adidas etwa will auch nach der Krise einzelne Teile des Onboardings virtuell durchführen.
Dadurch könne man die Einarbeitung entzerren, sie über mehrere Tage strecken und Wartezeiten bei Umbauphasen sparen. „Die Präsentationen der IT etwa können digital ablaufen, da kommt es nicht auf die persönliche Note des Vortragenden an“, sagt Fuchs.
Auch die neuen Mitarbeiter und ihre Vorgesetzten wollen unbedingt ins Büro. „Ich freue mich riesig, meine Kollegen bald persönlich zu treffen“, sagt Adidas-Mitarbeiter Fleiter. Und Avira-Teamleiterin Ivan kann es kaum erwarten, den Kaffee bald wieder gemeinsam mit ihren Kollegen im Büro zu trinken.
Wenn es so weit ist, versichert Henkel-Manager Schönfeld, bekomme die neue Kollegin Bulanova dann auch endlich ihren Blumenstrauß.
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