Energie: So ignorierten Ökonomen und Regierung die Wirtschaftskrise
Im Frühjahr 2023 begann eine Erzählung in Ökonomenkreisen zu kursieren, die sich bis heute hartnäckig in den Medien hält. Demnach waren die Folgen der Energiekrise eher moderat – alles halb so schlimm. Diese Story wurde gestützt von einer Studie der Ökonomen Benjamin Moll (London School of Economics), Moritz Schularick (Kiel Institut für Weltwirtschaft) und Georg Zachmann (Bruegel), die auch in der internationalen Ökonomenszene beachtet wurde und die Meinung ausländischer Beobachter beeinflusste.
Ihnen zufolge hat die deutsche Wirtschaft dank einer erfolgreichen Anpassung an die veränderten Marktbedingungen den Energiepreisschock gut überstanden. In den Worten der Studienautoren: „Noch nicht einmal eine Rezession.“
Auch wenn es Stimmen gab, die davor warnten, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Energiekrise zu unterschätzen, wurde diese Erzählung dankbar von der Bundesregierung aufgenommen. Denn sie zeigte scheinbar, dass die ergriffenen Krisenmaßnahmen gewirkt hatten und die Krisenpolitik der Ampelregierung erfolgreich war.
Am 19. Juni 2023 lud der Chef des Bundeskanzleramts, Wolfgang Schmidt, zur Konferenz „Ökonomische Zeitenwende“ ein. Bei dieser ganztägigen Veranstaltung sollten Vertreter der Wissenschaft im Austausch mit der Bundesregierung gemeinsame Herausforderungen diskutieren. Ein Blick auf die Vorträge verdeutlicht, in welcher marktliberalen Märchenwelt sich die große Mehrheit der geladenen Wirtschaftswissenschaftler bewegt.