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GastkommentarDeutsche Aufsichtsräte brauchen mehr KI-Kompetenz

Unbedarfte Aufseher suchen auch keine KI-Experten für den Vorstand. So aber kann die Transformation nicht gelingen, mahnt Corporate-Governance-Experte Thomas Kremer. 20.08.2025 - 10:13 Uhr Artikel anhören
Thomas Kremer ist Aufsichtsratsvorsitzender des Technologie-Dienstleisters Solutions 30 SE und Lehrbeauftragter für Corporate Governance an der Universität Bonn. Foto: Privat, Getty Images

Unternehmen integrieren KI in ihre Geschäftsmodelle, in Produkte und Dienstleistungen. KI steuert Kommunikationsnetze und Produktionslinien, beantwortet Kundenanfragen als intelligenter Chatbot, analysiert Verträge, Präsentationen und Reports und fasst sie zusammen.

Mit der steigenden KI-Durchdringung aller Geschäftsbereiche ist auch der Aufsichtsrat gefordert, denn er soll und muss diese Entwicklung überwachen und für einen Vorstand sorgen, der das Thema KI strategisch positioniert und den Mehrwert der Technologie realisiert. Aber ist der Aufsichtsrat selbst dafür gut aufgestellt?

In der Breite wohl kaum. Es fehlt merklich an einer hinreichenden Fachkompetenz in Sachen KI. Das zeigen mehrere aktuelle Studien etwa von Kienbaum und KPMG. Der Befund ist brisant, denn er stellt die Fähigkeit des Aufsichtsrats zur wirksamen Überwachung und Beratung des Vorstands infrage.

Besonders auffällig: Nach der Kienbaum-Studie halten nur fünf Prozent der Vorstände ihre Aufsichtsräte für ausreichend KI-kompetent.

Bis heute stellen die traditionellen Kompetenzprofile für Aufsichtsräte primär auf Finanzen, Rechnungslegung und interne Kontrollsysteme, auf Branchenkenntnisse, Führungserfahrung und auf Strategiekompetenz ab. Auf KI- und Innovationskompetenz wird weniger Wert gelegt.

Das spiegelt sich dann in den Besetzungsentscheidungen wider, die der Aufsichtsrat für den Vorstand trifft. Auch unter den Vorständen gibt es nur wenige, die tiefergehende technische oder wissenschaftliche Erfahrungen mit KI haben – von der Größenordnung her wohl weniger als zehn Prozent aller deutschen Unternehmensvorstände.

Der Vorstand ist für die KI-Transformation verantwortlich

Die vom Aufsichtsrat zu verantwortende Kompetenzlücke im Vorstand ist unübersehbar. KI-Kompetenz sitzt dann eher bei Chief Digital Officers oder Chief Technology Officers auf nachgeordneten Führungsebenen.

Immerhin: Eine große Mehrheit der Vorstände schätzt das KI-Thema nach der KPMG-Studie als wichtig für die Entwicklung ihrer Geschäftsmodelle ein und plant signifikante Erhöhungen der KI-Investitionsbudgets.

Die Einsicht, dass eine dezidierte KI-Strategie für das Unternehmen erforderlich ist, wächst stetig. Die Verantwortung für die KI-Transformation liegt in erster Linie beim Vorstand.

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Die Kompetenzlücke durch ein reines Learning by Doing zu schließen, ist risikoreich. Und es reicht nicht aus, das Thema KI über eine Geschäftsordnung einem bestimmten Vorstandsressort zuzuordnen.

Was also ist zu tun? Vorstand und Aufsichtsrat müssen ehrlich diskutieren: Was brauchen wir an KI-, Technologie- und Innovationskompetenz für unsere Geschäftsmodelle?

Das betrifft die Analyse, wie weit KI schon heute im Unternehmen verbreitet ist, und die Entwicklung der KI-Strategie. Beides sollte der Vorstand dem Aufsichtsrat erläutern – jetzt und nicht erst in einem Jahr.

Diese gemeinsame Aufgabe erfordert von Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzenden eine starke und abgestimmte Führung. Nehmen sie das Thema ernst, werden sie die Gremien mit weiterem Sachverstand stärken.

Um in den Zukunftsmärkten führend zu sein oder zumindest eine Rolle zu spielen, brauchen deutsche Unternehmen dringend mehr Innovations-, Technologie und KI-Kompetenz im Vorstand, aber vor allem im Aufsichtsrat.

Nötig ist ein breites Profil, kein „KI-Nerd“

Natürlich gibt es auch Aufsichtsräte und Vorstände, die längst entsprechend aufgestellt sind, insbesondere bei den technologieorientierten Dax-Unternehmen. Ein Beispiel: Technologieausschüsse im Aufsichtsrat wie bei der Allianz, der Deutschen Börse oder SAP.

Aber das sind Ausnahmen. Die heutigen Aufsichtsräte sollten sich kurzfristig mehr KI-Wissen aneignen, auch unter Mithilfe von internen oder externen Experten.

Das ist aber nicht genug: Um nachhaltig arbeiten zu können, brauchen die Aufsichtsräte eigene KI-Kompetenz. Dabei benötigen nur wenige Unternehmen einen regelrechten „KI-Nerd“, der über hohe KI-Kompetenz verfügt, etwa als KI-Entwickler.

Das wäre zu sehr Schmalspur. Deutlich besser ist ein breiteres Profil, das die Themen KI, Innovation, Transformation und IT umfasst.

Und wie sehen dann die Kandidaten aus? Idealerweise ein Praktiker mit Transformationserfahrung und IT-Background, der bereits auf den Themenfeldern KI/Digitalisierung gearbeitet hat.

Ich höre schon den Einwand, solche Kandidaten sind schwer zu finden. Ja, aber das darf nicht als Ausrede genutzt werden: Aufsichtsräte brauchen dringend eine strukturierte Nachfolgeplanung, die auch technologische Entwicklungen wie KI mitdenkt. Das führt mittelfristig auch zu einer technologiefreundlicheren Vorstandsbesetzung – und bildet die Grundlage für Innovationen.

Verwandte Themen Aufsichtsräte Künstliche Intelligenz Deutsche Telekom SAP Dax

Der Autor: Thomas Kremer ist Aufsichtsratsvorsitzender des Technologie-Dienstleisters Solutions 30 SE und Lehrbeauftragter für Corporate Governance an der Universität Bonn. Zuvor war er Vorstand für Datenschutz, Recht und Compliance bei der Deutschen Telekom.

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