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GastkommentarDeutschland steckt in der Krise und spielt New Work

Im digitalen Zeitalter sind innovative Geschäfts- und Arbeitsmodelle nötig. Nur wenige deutsche Unternehmen haben beides, kritisieren Thomas Sattelberger und Tobias Gutmann. 15.09.2023 - 04:08 Uhr Artikel anhören

Thomas Sattelberger ist ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär und früherer Vorstand bei Deutscher Telekom und Continental. Tobias Gutmann ist Assistenzprofessor für Produktinnovation an der EBS Universität.

Foto: Getty Images, privat

Deutschland ist wieder der „kranke Mann Europas“, ja sogar der westlichen Industrienationen. Laut der jüngsten Studie der Wirtschaftshochschule IMD in Lausanne sind wir von Platz sechs vor fast einem Jahrzehnt auf Platz 22 der internationalen Wettbewerbsfähigkeit abgestürzt: weit abgeschlagen nicht nur hinter den USA und China, sondern auch hinter europäischen Nachbarn wie der Schweiz, Dänemark und Schweden.

Unternehmensberatungen und Personalabteilungen greifen verzweifelt nach einem Rettungsring namens New Work. Doch meist dient der nur als soziales Pflaster für überholte Geschäftsmodelle.

Auch das aktuelle New-Work-Barometer, bei dem Unternehmensvertreter verschiedener Branchen befragt werden, zeigt, dass es vor allem um Steigerung des psychischen Wohlbefindens und des Empowerments der Mitarbeiter geht. Nicht wenige verzwergen New Work zudem nur auf das Homeoffice.

Mit seinen alt gewordenen Industrien und Mentalitäten steht Deutschland heute da wie der Kaiser ohne Kleider. Statt echter Transformation inszenieren Unternehmen oft nur soziale Innovationslabore und Empowerment-Initiativen-Fassade statt Substanz.

Die Arbeitsmodelle von Unternehmen lassen sich in vier Gruppen einteilen

Um in der Flut der Modewellen die Positionierung von Unternehmen in diesem Kontext zu verstehen, ist eine Vier-Felder-Matrix entlang der Achsen „Old Business und New Business“ sowie „Old Work und New Work“ hilfreich.

Old Work meint dabei traditionelle, industriell geprägte Strukturen, die auf strengen Regelwerken, festen Arbeitszeiten, klaren Hierarchien und der Abgrenzung von Berufs- und Privatleben beruhen.

Im Gegensatz dazu steht New Work, das den Paradigmenwechsel hin zu einer wissens- und innovationsgetriebenen Arbeitswelt widerspiegelt. Hier erwarten Mitarbeiter mehr Autonomie, Sinn, flache Hierarchien, ausgewogene Work-Life-Integration und eine stärkere Beteiligung an Strategie- und Führungsentscheidungen.

Ähnlich unterscheidet Old Business Geschäftsmodelle, die primär auf physische Produkte und direkten Kundenkontakt setzen. New Business hingegen konzentriert sich auf smarte Produkte und Services – angeboten entweder in Verbindung mit physischen Systemen oder rein digital.

New Work ist häufig nur eine Fassade

- Dinosaurier (Old Work & Old Business) sind schwerfällig stampfende Giganten, die unfähig oder unwillig sind, sich rechtzeitig den neuen Realitäten anzupassen. Diese Monarchen einer vergangenen Ära räumen erst dann ihren Thron, wenn ihr Königreich in Flammen steht. Beispiele dafür erstrecken sich von deutschen Notariaten, über traditionelle Maschinenbauer bis hin zu Munich Re.

- Moderne Fassaden (New Work & Old Business) sind die großen Illusionisten, die sich mit Open Spaces, Innovation Labs und Duz-Kultur fortschrittlich geben. Aber wenn man an der glänzenden Oberfläche kratzt, kommt ein veraltetes, rostiges Geschäftsmodell zum Vorschein.

Sie sind wie alternde Hollywoodstars, die mit Botox und Make-up versuchen, die Zeichen der Zeit zu kaschieren. Beispiele dafür sind deutsche Großkonzerne wie die Telekom, Audi oder Axel Springer, die hierarchische Dominanz mit modischem New-Work-Schnickschnack verkleiden.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kombination von neuen Arbeits- und Geschäftsmodellen

- Tech-Tyrannen (Old Work & New Business) sind die neuen Tech-Feudalherren und die Renaissance des autokratischen Managementmodells à la diktatorisch-charismatischer Bosse wie Jeff Bezos von Amazon, Elon Musk von Tesla oder einst Steve Jobs bei Apple.

Diese Unternehmen lassen sich voll auf die Ideen ihrer Gründer und deren schnelle Skalierung in hochinnovative Geschäftsmodelle ein. Das Ego des Gründers ertragen sie auch auf Kosten des Wohlergehens der Mitarbeiter.

- Technologische und soziale Pioniere (New Work & New Business) sind die wahren Revolutionäre, die erkannt haben, dass der Schlüssel zum Erfolg in der Kombination innovativer Arbeits- und Geschäftsmodelle liegt. Beispiele dafür reichen von der niederländischen Pflegeorganisation Buurtzorg und der deutschen Hotelkette Upstalsboom bis hin zu hochinnovativen Deeptech-Unternehmen wie Isar Aerospace in München.

Echter transformativer Wandel in unseren Unternehmen erfordert eine erneuerte HR-Profession und eine neue Qualität transformativer Führung. New Work und New Business gehen Hand in Hand und sind im digitalen Zeitalter erfolgsentscheidend. Nur so können wir Deutschland aus der Talsohle führen und wieder zu einem attraktiven Wirtschafts- und Lebensstandort machen.

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Die Autoren:

Thomas Sattelberger ist ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär und früherer Vorstand bei Deutscher Telekom und Continental.
Tobias Gutmann ist Assistenzprofessor für Produktinnovation an der EBS Universität.

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