Gastkommentar Die Energiewende steht am Scheideweg

Autor Peter Altmaier ist Bundesminister für Wirtschaft und Energie.
Das noch junge Jahr 2020 beginnt mit guten Nachrichten: Die Treibhausgas-Emissionen sind drastisch gesunken, unter anderem in der Energiewirtschaft konnten rund 50 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Auch der CO2-Preis, nun auch in den Sektoren Verkehr und Wärme, wird diesen Weg beschleunigen.
Die ebenfalls beschlossene steuerliche Förderung der Gebäudesanierung, massiv aufgestockte Mittel für Effizienzmaßnahmen sowie die energetische Gebäudesanierung unterstützen diesen Effekt zusätzlich. Damit rückt das Ziel, unsere nationalen Emissionen im Jahr 2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken, in greifbare Nähe.
Gleichzeitig erreichten die erneuerbaren Energien 2019 einen erfreulichen Anteil von rund 43 Prozent am Stromverbrauch. In deutschen Kraftwerken wurde deutlich weniger Kohle verstromt.
Auch unsere Beschlüsse zum schnelleren und unbürokratischeren Ausbau von Stromleitungen haben Erfolge gezeigt, denn für zahlreiche, auch strittige Projekte konnten Genehmigungen erteilt werden. Auch in diesem Jahr erwarten wir eine weitere Genehmigungswelle. Das zeigt: Unsere Klimaschutz-Politik wirkt.
Eine weitere gute Nachricht ist, dass wir in einem breiten Konsens den Kohleausstieg sowie jetzt auch den genauen Stilllegungspfad und die Gestaltung des Strukturwandels in den betroffenen Kohleregionen und der Entschädigungen für die Kraftwerksbetreiber beschlossen haben.
Kohleausstieg im Konsens beschlossen
Damit ist nach dem Ausstieg aus der Kernenergie ein zweites energiepolitisches Mammutprojekt gestemmt worden, das Deutschland zu einem der wenigen Industrieländer weltweit macht, das aus Kernenergie und Kohle parallel aussteigt.
Anders als beim Ausstieg aus der Kernenergie beenden wir das Kohle-Zeitalter im gesamtgesellschaftlichen Konsens, planbar und wirtschaftlich vernünftig – das Ziel, eine effiziente, nachhaltige, verlässliche und bezahlbare Energieversorgung des Wirtschaftsstandorts Deutschlands stets vor Augen.
Wie im Koalitionsvertrag festgelegt, hat eine Kommission, zusammengesetzt aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, einen Konsens zur Beendigung der Kohleverstromung bis zum Jahr 2038 erreicht.
Diesen setzen wir, nach umfassenden und der Bedeutung dieses entscheidenden klimapolitischen Themas angemessen gründlichen Verhandlungen mit den Betroffenen, um und gießen ihn in einen Bund-Länder-Vertrag und in entsprechende Gesetze.
Das ‚Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen‘ unterstützt die betroffenen Regionen dabei, den notwendigen Strukturwandel erfolgreich zu gestalten und die insgesamt 40 Milliarden Euro bis 2038 für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen in die Zukunft zu verwenden. Das Gesetz befindet sich bereits im parlamentarischen Verfahren und kann in Kraft treten, sobald auch das Kohleausstiegsgesetz, das wir noch im Januar im Kabinett beschließen werden, im Amtsblatt veröffentlicht sein wird.
Dieses Gesetz zum Kohleausstieg regelt im Einvernehmen mit den Ministerpräsidenten und den Kraftwerksbetreibern den Ausstiegspfad für die Braunkohle-Kraftwerke und – Tagebaue. Dabei wird ein Großteil bereits in den 2020er-Jahren stillgelegt werden, so dass eine deutliche CO2-Einsparung bereits früh einsetzen wird.
Der Komplexität mit mehr Markt begegnen
Wir fangen den dann fehlenden Kohlestrom durch einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien auf und novellieren dazu das Erneuerbaren-Energie-Gesetz und entwickeln die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung weiter. Gerade beim Thema Ausbau von Windanlagen müssen sich die Beteiligten ehrlich machen und zu einem Kompromiss gelangen, hier wollen wir keine weitere Zeit verlieren.
Wo immer möglich, sollten wir der steigenden Komplexität zukünftig mit mehr Markt und Wettbewerb begegnen und einen Rahmen schaffen, in dem sich die besten Technologien und Innovationen entfalten können. So verschaffen wir uns einen Vorsprung in Forschung und Entwicklung und machen Deutschland zukunftsfähig.
Bei all unseren energiepolitischen Entscheidungen müssen wir darauf achten, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen und die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz erhalten bleibt. Für die kommenden Monate geht es mir insbesondere darum, die Strompreise möglichst stabil zu halten, Stromkunden zu entlasten und die internationale Wettbewerbsfähigkeit stromkostenintensiver Unternehmen zu erhalten.
Zudem werden wir uns im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr dieses Jahres für eine EU-Flankierung unseres Transformationsprozesses einsetzen. Die Chancen, die die Energiewende bietet, hat die EU Kommission mit ihrem European Green Deal bereits hervorgehoben.
Zu den Aufgaben der nächsten Jahre gehört es schließlich auch, unsere Zusammenarbeit in Europa und international auszubauen. Denn die Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaft werden wir mit deutschem Wind- und Sonnenstrom allein nicht hinbekommen.
Keiner wird zurückgelassen
Zum einen stoßen wir bei den dafür verfügbaren Flächen irgendwann an Grenzen. Zum anderen brauchen wir für Industrie, Verkehr und Wärme auch grüne und synthetische Kraftstoffe. Diese lassen sich kostengünstiger in anderen Weltregionen als in Deutschland herstellen, etwa im sonnenreicheren Nordafrika oder in der windreichen Nordsee. Eine entsprechende Zusammenarbeit bauen wir deshalb aus.
Damit wird Realität, was sich viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wünschen: den nachhaltigen, aber versorgungssicheren Umbau unserer Energieversorgung – nicht auf den Schultern oder zum Nachteil Einzelner ruhend – sondern getragen von unserer gesamten Gesellschaft.
Keiner wird zurückgelassen, niemand wird überfordert, alle können gemeinsam stolz darauf sein, dass wir unsere Volkswirtschaft auf eine nachhaltige Energieversorgungsbasis stellen. Das ist eine Modernisierungsstrategie für unseren Standort, die Innovationen vorantreibt, mit sauberen Technologien Wachstumsmärkte erschließt und auch künftig Arbeitsplätze sichert.
So besteht auch die Chance, international Nachahmer für unseren Weg der Energiewende zu erhalten, und dies käme dem weltweiten Klimaschutz am meisten zugute.
Mehr: Warum der Kompromiss zum Kohleausstieg ein Spiel mit dem Feuer ist
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Eine Entscheidung zu treffen ist, schwierig. Sie umzusetzen, ist zehnmal so schwierig. Unsere Regierung meint immer, mit der Entscheidung seien alle Probleme behoben. Und genau das ist der eigentliche Grund für alle schiefgegangen Großprojekte, die fehlenden Infrastrukturinvestitionen und und und....
Wenn man anfängt, seinen eigenen Presseverlautbarungen zu glauben, beginnen die Probleme.
Stell Dir vor, es geht, und keiner kriegt’s hin.