Gastkommentar: Die Groko muss eine milliardenschwere Investitionsoffensive starten

Zerfallende Verkehrsinfrastruktur darf nicht die Ursache von Störungen im Betriebsablauf sein. Eine Aufstockung der Fonds für kommunale Investitionen muss dem entgegenwirken.
Deutschlands wirtschaftliche Zukunft ist in Gefahr. Grundsätzlich ist unser Land wohlhabend, doch es steht auf einem bröckelnden Fundament. Unsere Infrastruktur ist marode und wird den Anforderungen der Zeit nicht mehr gerecht.
Die SPD hat sich auf ihrem Parteitag den gemeinsamen Forderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und des Bundes der Deutschen Industrie (BDI) angeschlossen, die notwendigen öffentlichen Investitionsmittel in den nächsten zehn Jahren zu erhöhen: Wir brauchen Investitionen von mindestens 450 Milliarden Euro zusätzlich zu den bereits angesetzten, um einen klaren Impuls in Richtung einer zukunftsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft zu setzen.
Wir wollen die im aktuellen Haushalt bereitstehenden 13,5 Milliarden Euro für den Beginn einer Investitionsoffensive nutzen und direkt investieren. Dabei muss verdeutlicht werden: Die im letzten Jahr eingestellten 38,9 Milliarden Euro Investitionsmittel wurden zu 98 Prozent abgerufen, die Mittel aus dem ersten Gesetz zur Förderung kommunaler Investitionen sind bereits zu 96 Prozent verplant und werden zunehmend schneller abgerufen. Die Bauwirtschaft hat ihre Kapazitäten erweitert. Nun müssen wir den eingeschlagenen Investitionspfad dynamisieren und so für Planungssicherheit und weiteren Kapazitätsaufbau sorgen.
Wir schlagen drei Schwerpunkte für Investitionen vor: Bildung, kommunale Infrastruktur und Klimaschutz. Mit den 13,5 Milliarden kann in diesen Bereichen bereits eine erste Aufstockung der Investitionen erfolgen. Perspektivisch sollten wir einen einen Zukunftsfonds für Deutschland einrichten, der sich an öffentlichen Investitionsprojekten beteiligt und zu ihrer Finanzierung beiträgt.
Allein im Bereich Bildung liegt der zusätzliche Bedarf in den nächsten zehn Jahren bei 109 Milliarden Euro. Diese Mittel werden gebraucht. Eltern dürfen nicht durch fehlende Betreuungsangebote an der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie gehindert werden.
Bessere Betreuung und mehr Kita-Plätze nötig
Kinder brauchen Bildungschancen unabhängig von ihrem Elternhaus. Es muss eine bessere Betreuung und mehr Kita-Plätze, genauso wie hochwertige Ganztagsschulangebote geben. Außerdem müssen wir unsere Hochschulen besser ausstatten: Mit mehr Personal und einem Digitalpakt.
Wir brauchen eine kommunale Infrastruktur, auf die wir uns verlassen können. Schwimmunterricht darf nicht aufgrund maroder Schwimmbäder ausfallen. Wir brauchen einen neuen Investitionsplan für Sportstätten und Schwimmbäder.
Zerfallende Verkehrsinfrastruktur darf nicht die Ursache von Störungen im Betriebsablauf sein. Mit einer Aufstockung und Erweiterung der Fonds für kommunale Investitionen können wir dem entgegenwirken. Die Angebote der Bahn und des ÖPNV wollen wir ausbauen.
Die Mittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) bleiben trotz Verdoppelung hinter dem Bedarf zurück. Für eine schnellere, klimafreundliche Verkehrswende sollten wir genehmigte Bauvorhaben aus dem GVFG schneller umsetzen und dafür weitere Milliarden zur Verfügung stellen.
Außerdem muss es Mobilfunk und schnelles Internet in jedem Dorf und entlang aller Verkehrswege geben. Funklöcher gehören in die Geschichtsbücher. All das wird Investitionen von über 258 Milliarden Euro erfordern, vor allem in den Kommunen.
Bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft müssen wir Vorreiter sein, auch um auf dem Weltmarkt entsprechende Technologien anbieten zu können. Der Industrie- und Dienstleistungsstandort Deutschland muss unter den Bedingungen einer digitalen und ökologisch nachhaltigen Produktion weiterhin eine Spitzenstellung einnehmen.
Nur so lassen sich hohe Einkommen für breite Schichten der Bevölkerung erzielen. Die Transformation der Wirtschaft wird Investitionen in Billionenhöhe erfordern und der Staat muss sich hier nach Schätzung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) mit mindestens 75 Milliarden Euro beteiligen.
Aufstockung des Energie- und Klimafonds wird nicht reichen
Das Klimapaket hat mit der Aufstockung des Energie- und Klimafonds bereits einen ersten Schritt gemacht, doch das wird nicht reichen. Immer noch geht – zum Beispiel – die energetische Modernisierung von Gebäuden zu langsam voran.
Die Investitionsoffensive muss von einer Fachkräfteoffensive begleitet werden. Der Ausbau der frühkindlichen Bildung und des Ganztagsangebots erfordert mehr Erzieher und Lehrkräfte. Dazu sollte der Bund weiter und mehr Unterstützung für eine attraktive und praxisintegrierte Ausbildung leisten.
Die Verwaltung braucht mehr Bauingenieure für ihre Planung und Umsetzung. Wir wollen die Hochschulen finanziell unterstützen und zusätzliche Ingenieurs-Studienplätze schaffen. Wer sich anschließend verpflichtet, mehrere Jahre für die öffentliche Hand zu arbeiten, dem wollen wir die BAföG-Rückzahlungen erlassen.
Kurzfristig sollten Kommunen durch Beratungsangebote des Bundes wie der „Partnerschaft Deutschland“ Planungsengpässe überwinden. Der Bund könnte dies attraktiver machen, indem er die öffentliche Kommunalberatung fördert.
Außerdem muss festgehalten werden: Vielen Kommunen fällt es schwer, mehr zu investieren, weil sie aufgrund des Strukturwandels in ihrer Region hoffnungslos überschuldet sind. Damit sie wieder selbstständig investieren und sich aus ihrer Situation befreien können, muss der Bund zusammen mit den Ländern bei der Entschuldung helfen.
Die Investitionsoffensive muss verbunden werden mit einer Stärkung guter Löhne über die Stärkung der Tarifbindung: Nur Unternehmen, die nach Tarif bezahlen, sollten öffentliche Aufträge von Bund, den Ländern oder den Kommunen erhalten. Der Bund muss bei der Tarifbindung bei eigenen Aufträgen mit gutem Beispiel vorangehen. Auch auf diese Weise sichern wir die wirtschaftliche Zukunft.
Aus all diesen Gründen sollten wir diesen Schritt in eine investive Zukunft wagen. Es wäre ein Beitrag, unsere Wirtschaft vor dem Hintergrund digitaler und ökologischer Herausforderungen zu dynamisieren und sie gleichzeitig in Zeiten von negativen Zinsen und aus der Balance geratener Außenhandelsbeziehungen zu stabilisieren. Vor allem ist dies aber ein Beitrag zur mehr Gerechtigkeit zwischen den Regionen und den Generationen. Mit solch klaren Impulsen können wir die wirtschaftliche Zukunft sichern.
Mehr: Höhere Investitionen und Steuersenkungen schließen einander nicht aus: Finanzminister Scholz verplant den Großteil der Haushaltsspielräume für Investitionen. Das ist richtig, aber kein Grund gegen Steuerreformen.





