Gastkommentar: Die „neue Seidenstraße“ bringt nicht nur Risiken – sondern vor allem auch Chancen

Erich Staake ist Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG.
Der Begriff Seidenstraße weckt heute fast märchenhafte Erinnerungen an eine Zeit, in der Gold, feine Stoffe und andere Kostbarkeiten von Karawanen im asiatischen Raum transportiert und gehandelt wurden. Diese historische Handelsroute erlebt zurzeit eine erstaunliche Renaissance: Die Belt and Road Initiative (BRI) des chinesischen Staatschefs Xi soll an das anknüpfen, was vor Hunderten von Jahren schon erfolgreich praktiziert wurde. Nur in deutlich größerem Maßstab.
Konkret: Die BRI soll das umfangreichste Infrastrukturprogramm unseres Jahrhunderts werden. Die Ausmaße erscheinen tatsächlich gigantisch: Mehr als 900 BRI-Projekte schließen neue Flughäfen, Eisenbahnstrecken, Kraftwerke, Straßen, Häfen und Stromnetze ein. Inzwischen sind über 60 Länder an der BRI beteiligt, Europa und Deutschland spielen dabei eine bedeutende Rolle. Neben der Bundesrepublik sind unter anderem die EU-Staaten Frankreich, Griechenland, Polen und Belgien an Bord.
China treibt eines der ehrgeizigsten Handelsprojekte unserer Zeit voran. Diese Strategie ruft auch Kritiker auf den Plan: Die Volksrepublik strebe mit der neuen Seidenstraße Einfluss auf Europa an und wolle den Welthandel dominieren. Diese Bedenken gegenüber chinesischen Handelsinitiativen sind grundsätzlich nicht neu, sie zeigen vor allem eins: Es gibt die Sorge, dass die Partnerschaft mit China in der Seidenstraßen-Initiative auch negative Seiten haben könnte.
Großzügige Kredite und ambitionierte Projekte bringen schwächere Partner schnell in neue Abhängigkeiten. Auch deshalb plädiere ich dafür, dass der Handel mit der Volksrepublik auf Augenhöhe erfolgen muss. Zu fairen wie verlässlichen Bedingungen: Auch China muss seine Restriktionen für ausländische Investoren aufheben und ein „levelled playing field“ gestatten.
Europäische Investitionen in China müssen zu den Konditionen möglich sein, wie sie in europäischen Volkswirtschaften schon selbstverständlich sind. Soll das Neue-Seidenstraßen-Projekt gelingen, so müssen neue und faire Partnerschaften entstehen. Übrigens auch in der rechtlichen Rahmensetzung: Patentfragen und Leistungsschutzrechte müssen Teil einer Seidenstraßen-Übereinkunft werden.
Seit dem Besuch von Chinas Staatspräsident Xi im März 2014 ist der Duisburger Hafen als größter Binnenhafen Europas auch in Asien ein Begriff. Pro Woche verkehren rund 30 Güterzüge zwischen China und Duisburg. Das gewaltige Infrastrukturprojekt BRI ist auch – und das spüren wir in Duisburg – für Europa eine große Chance. Wir Europäer sollten das Angebot der chinesischen Regierung aufnehmen und selbstbewusst genug sein, um die Gelegenheit zu nutzen, die Regeln der Zusammenarbeit mitzugestalten.
Hier ist insbesondere die Europäische Union gefordert. Die BRI ist kein feststehender Plan, der bis ins letzte Detail entwickelt ist – er kann gemeinsam verbessert werden, wenn man denn genügend Engagement und Initiative mitbringt. Handel ist keine Einbahnstraße, er ist eine Brücke, die man in beide Richtungen überqueren kann.
Natürlich verfolgen die Chinesen mit der BRI auch eigene Ziele – aber gleichzeitig bieten sich für Europa neue Chancen, unsere starke Industrie auch am chinesischen Markt Fuß fassen zu lassen und neue Geschäftsfelder zu entwickeln.


Anfang November kündigte Xi auf der wichtigsten Importmesse China International Import Expo (CCIE) in Schanghai an, dass China künftig nicht nur eine starke Exportmacht, sondern auch eine große Importnation sein wolle – in den kommenden 15 Jahren will die Volksrepublik Waren im Wert von 40 Billionen US-Dollar einführen. An der Messe nahmen mehr als 170 deutsche Unternehmen teil, die den neuen chinesischen Kurs als Chance begreifen.
Wir sollten im Dialog mit China selbstbewusst auf unsere Stärken setzen und prüfen, wie wir von der neuen Ausrichtung der Volksrepublik in Richtung Zentralasien und Europa profitieren können.
In Duisburg haben wir einen vielversprechenden Anfang gemacht, unsere Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern ist durchweg positiv – und ich bin mir sicher, dass viele europäische Städte, Unternehmen und Mittelständler ihr China-Engagement noch deutlich ausbauen können, um bei der BRI als Partner Chinas mitwirken zu können.





