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GastkommentarEin Grand Deal mit und für Italien: Europa muss die Gunst der Stunde nutzen

Die EU muss seinem Gründungsmitglied die Hand reichen. Ein fünfjähriger Aktionsplan könnte Italiens Situation verbessern – und Europa politische Stabilität sichern.Harald Benink 17.12.2019 - 08:58 Uhr

In Italien bestehen strukturelle und ökonomische Probleme.

Foto: dpa

In der italienischen Politik waren die letzten Monate sehr turbulent. Zur Bekräftigung der politischen Führung und der Finanzmärkte in Europa wurde eine neue Regierung ohne die Lega Partei von Matteo Salvini gebildet. Der hatte Neuwahlen angestoßen, um selbst Ministerpräsident zu werden.

Die politische Stabilität mag aber nicht lange anhalten. Europa sollte deshalb die Gelegenheit nicht verpassen und Italien die Hand entgegenstrecken, um einen großen Deal zu vereinbaren.

Die Europäische Union (EU) steht vor einer kritischen Weichenstellung. Einerseits schafft der jetzt nahende Brexit neue Ungewissheiten über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien, andererseits könnte aufgrund der ökonomischen und finanziellen Probleme in Italien eine neue, noch größere Krise entstehen. Die aktuelle Lage sollte genutzt werden, um die instabile ökonomische, finanzielle und politische Situation in Europa zu überdenken.

Die negative Dynamik des politischen Diskurses in Europa muss begrenzt werden. Das gilt vor allem für den größeren Teil der Bevölkerung in den EU-Mitgliedstaaten, der das europäische Projekt mehr als Bedrohung denn als Chance erlebt.

Vor allem in Italien ist das sichtbar. Als eines der Gründungsmitglieder der EU spürt das Land die Abkopplung und fehlende Solidarität in den Bereichen Governance der Euro-Zone und Migration, insbesondere von den Ländern aus den nördlichen Regionen wie Deutschland und den Niederlanden. Das hat dazu geführt, dass populistische Parteien beliebter geworden sind.

Harald Benink ist Professor für Banken und Finanzierung am „Institute of Governance“ an der Tilburg University in den Niederlanden.

Foto: Handelsblatt

Es ist ganz offensichtlich, dass in Italien strukturelle und ökonomische Probleme bestehen. Das beinhaltet vor allem das Fehlen triefgreifender Reformen der Arbeits- und Dienstleistungsmärkte, bei der Steuererhebung und des Rentensystems. Über eine zu lange Zeit hat das Land die notwendigen Reformen aufgeschoben und dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit und sein langfristiges Wachstumspotenzial beeinträchtigt.

EZB-Politik hat keine Anreize gesetzt

Zur gleichen Zeit waren die politischen Maßnahmen der EU oftmals nicht angemessen. Einerseits hat die Geldpolitik der EZB die Zinssätze für italienische Staatsanleihen auf einem sehr niedrigen Niveau gehalten, und das ohne besondere Auflagen.

Diese niedrigen Zinssätze haben die Anreize für die Durchführung tiefgreifender Wirtschaftsreformen gemindert. Andererseits sind die Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU bindend und könnten bald zu Geldbußen gegen Italien führen, die wiederum die politische Dynamik weiter verschlechtern.

Jetzt ist die Zeit für einen Grand Deal zwischen Italien und der EU gekommen, um die politische Situation zu verbessern. Dazu erforderlich ist ein ökonomischer und politischer Aktionsplan für die nächsten fünf Jahre, mit dem eine detaillierte Agenda für strukturelle ökonomische Reformen mit potenziellen europäischen Investitionen verknüpft ist.

Die Grundidee ist, dass für jedes der fünf Jahre konkrete Schritte in der Gesetzgebung und der Umsetzung der Reformen festgelegt werden. Am Ende jedes der fünf Jahre wird dann überprüft, ob Italien die vereinbarten Maßnahmen umgesetzt hat. Im positiven Fall könnte Italien mit erheblichen Investitionen der EU belohnt werden, und zwar in Bereichen wie Infrastruktur und der wissensbasierten Wirtschaft.

Es steht viel auf dem Spiel

Solch ein Ansatz von Zuckerbrot und Peitsche wurde bisher noch nicht ausprobiert. Dies würde den politischen Diskurs verändern und es der politischen Führung Italiens ermöglichen, der eigenen Bevölkerung zu erklären, dass Europa nicht nur schwierige ökonomische Reformen und Haushaltdisziplin verlangt, sondern auch solidarisch in Form von Investitionen handelt. Das kann die politische Akzeptanz schwerwiegender Maßnahmen bei der Wählerschaft fördern.

Die Herausforderung ist, eine eskalierende politische Krise zwischen Italien und Europa zu verhindern. Eine solche Eskalation kann zu einer Krise des Vertrauens in die Bonität italienischer Schuldtitel und in die Banken führen, die stark in Staatsanleihen investiert haben.

Angesichts der Größe der italienischen Volkswirtschaft und vor allem der enormen Staatsverschuldung würde eine Krise in Italien mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer schweren Banken- und Finanzkrise in Europa führen, die auch enorme Konsequenzen für die Zukunft des Euros hätte.

Es ist daher wichtig, dass insbesondere die neue Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, und die neue EZB-Präsidentin, Christine Lagarde, den Moment nutzen, um einen Grand Deal mit Italien auszuarbeiten. Es steht viel auf dem Spiel, und ein neuer Ansatz ist dringend erforderlich.

Mehr: Auf Europakurs: Unter der Populisten-Regierung hatte sich Italien China und Russland zugewendet. Nach dem Regierungswechsel wird das Land wieder in den Kreis europäischer Partner aufgenommen.

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