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GastkommentarEuropa muss beim Cloud-Banking unabhängiger werden

Die heutige Dominanz von US-Hyperscalern birgt Risiken. Ihr kompletter Ausschluss wäre für europäische Unternehmen aber kontraproduktiv, warnt Bankenverbandschef Heiner Herkenhoff. 25.08.2025 - 04:06 Uhr Artikel anhören
Heiner Herkenhoff ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Foto: E+/Getty Images, privat

Für kaum eine Branche ist die Digitalisierung so entscheidend wie für die Finanzbranche. Auf diesem Weg gibt es für Banken kein Zurück – und die Cloud ist ihr Rückgrat. Für Banken bietet sie erhebliche Vorteile: mehr Skalierbarkeit, höhere Effizienz und kürzere Innovationszyklen.

Folgerichtig verlagern Institute in großem Stil Anwendungen in die Cloud – von der Kundenanalyse bis zum Zahlungsverkehr. Doch während die technischen Fortschritte beeindruckend sind, werfen geopolitische Abhängigkeiten und regulatorische Unsicherheiten zunehmend Fragen auf. Die größte davon: Sollten deutsche Banken aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage strategisch umdenken?

Der europäische Bankensektor ist wie andere Branchen bei der Cloud-Nutzung von außereuropäischen Anbietern abhängig. Ein Großteil der kritischen Cloud-Outsourcing-Aktivitäten deutscher Banken läuft mit US-Hyperscalern wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure oder Google Cloud.

Die US-Dominanz birgt reale Risiken

Europäische Anbieter spielen bislang eher eine Nebenrolle – nicht zuletzt, weil ihre Services, ihre globale Verfügbarkeit und ihre Standards in der Cybersicherheit oft nicht mit denen der US-Konkurrenz mithalten können. Inzwischen drängen jedoch auch deutsche Anbieter wie StackIT (Schwarz-Gruppe) mit spezialisierten Angeboten im Bereich Sicherheit und Datenhoheit verstärkt auf den Markt.

Diese nach wie vor bestehende Asymmetrie ist nicht nur ein industriepolitisches Problem. Sie birgt reale Risiken: Extraterritoriale Gesetzgebung, etwa durch den US Cloud Act, könnte – theoretisch – den Zugriff US-amerikanischer Behörden auf sensible Finanzdaten europäischer Banken ermöglichen.

Die Sorge vor einem sogenannten „Kill Switch“, bei dem die Systeme plötzlich nicht mehr erreichbar wären, müssen im Risikomanagement mit bewertet werden. Auch wenn dieses Szenario Stand heute unrealistisch ist, bleibt die politische Unsicherheit bestehen. Die Cloud ist längst kein rein technisches Thema mehr – sie ist geopolitisch aufgeladen.

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In Deutschland und Europa sind die regulatorischen Anforderungen an den Bankensektor hoch – und sie steigen weiter. Zuletzt sind sowohl nationale als auch mehrere europäische Vorschriften beschlossen worden, die auch die Cloud betreffen.

Für Banken bedeutet das mehr Prüfpflichten, mehr Berichtspflichten – und noch mehr Aufwand bei der Zusammenarbeit mit internationalen Anbietern. Auf der anderen Seite werden die großen Cloud-Anbieter nun aber auch einheitlich in der EU reguliert.

Für Unsicherheit sorgt dabei das geplante European Cloud Certification Scheme (EUCS). Das Zertifizierungssystem soll Transparenz und Sicherheitsstandards für Cloud-Dienste erhöhen, doch insbesondere die diskutierten Anforderungen an Souveränität und Gerichtsbarkeit stoßen auf Kritik.

Die diskutierten Vorschläge könnten auf eine faktische Ausgrenzung nicht-europäischer Anbieter hinauslaufen. Das aber würde die Innovationsfähigkeit des Finanzsektors erheblich gefährden.

Braucht Europa eine eigene Cloud?

Der Ruf nach einer „europäischen Cloud“ ist nicht neu, wird jedoch angesichts geopolitischer Spannungen wieder lauter. Der Aufbau einer leistungsfähigen europäischen Cloud-Infrastruktur wäre zweifellos ein strategisches Zukunftsprojekt.

Allerdings sind die Hürden dafür hoch: Milliardeninvestitionen wären nötig, ebenso der gemeinsame Wille von Politik, Wirtschaft und Regulierung. Und selbst dann würde es Jahre dauern, bis man technologisch zu den heutigen Marktführern aufschließt.

Ein Schritt in Richtung europäischer Souveränität könnte aber der Aufbau einer souveränen europäischen Cloud als Tochterunternehmen der großen US-Betreiber sein. Entscheidend ist dabei, wie unabhängig diese Lösung tatsächlich wäre – technisch, organisatorisch, rechtlich und vor allem: politisch.

Die Debatte um Cloud-Technologien im Finanzsektor steht exemplarisch für die größeren technologischen Abhängigkeiten Europas. Sie zeigt, wie dringend ein europäisches Cloud-Ökosystem benötigt wird – ohne dabei in protektionistische Reflexe zu verfallen.

Banken können die digitale Souveränität fördern

Denn klar ist: Europa braucht den Zugang zu leistungsfähigen Cloud- und KI-Technologien aus Drittländern – auch in Zukunft. Eine Abschottung gegenüber global führenden Anbietern würde nicht nur Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen schwächen, sondern auch ihre digitale Resilienz gefährden.

Stattdessen sollte der Fokus auf dem Aufbau eines leistungsfähigen europäischen Marktes liegen. Dazu gehören Investitionen in die Infrastruktur, die gezielte Förderung von Technologie-Start-ups und eine Regulatorik, die Innovationen ermöglicht, ohne Sicherheitsaspekte zu vernachlässigen.

Private Banken können hier eine Schlüsselrolle übernehmen – als Nutzer, Enabler und Investor. So könnten sie etwa gezielt europäische Cloud-Start-ups fördern, eigene Use-Cases für regulierungskonforme Cloud-Anwendungen bereitstellen und als Kunden dabei helfen, eine tragfähige Nachfragebasis für europäische Anbieter zu schaffen.

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Wenn sie ihre Rolle aktiv gestalten, können sie mehr erreichen als nur regulatorische Konformität: Sie könnten zum Motor digitaler Souveränität in Europa werden.

Der Autor: Heiner Herkenhoff ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken.

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