Gastkommentar: So sorgen die Sondervermögen für einen echten Aufbruch
Das Schuldenpaket der künftigen Bundesregierung steht. Jetzt drängen sich zwei weitere Fragen auf: Wofür genau soll das Geld ausgegeben werden? Und wie?
Die Entscheidung über das „Wofür“ erfordert einen gesellschaftlichen Diskurs und eine starke politische Prioritätensetzung – es geht um Zukunftsfähigkeit und nicht um die Befriedigung einzelner Interessengruppen. Ebenso entscheidend ist, wie der Staat die Mittel einsetzt.
Beschaffung und die Vergabe von Infrastrukturprojekten zählen nicht gerade zu den Paradedisziplinen der Staatsverwaltung. Es kann zu Fehlprognosen und Kostenexplosionen kommen, Subventionsritter werden ihr Glück versuchen. Mit den gewaltigen Summen, die jetzt zur Verfügung stehen, steigt auch das Risiko.
Das wichtigste Gegenmittel: Wettbewerb. Nur er garantiert, dass die Mittel effizient und innovationsfördernd eingesetzt werden. Auch mögliche Nebenwirkungen wie Preissteigerungen und Inflation fallen geringer aus, wenn der Wettbewerb gestärkt wird.
Nur wenn wettbewerbsorientiert agiert wird, bietet sich eine Chance zum Aufbruch – mit Innovationen und ganzen Branchen, die für die Zukunft fit gemacht werden.
Nötig sind europaweite Ausschreibungen
Schon jetzt sollten die Koalitionspartner fünf Grundsätze festschreiben, die das Prinzip Wettbewerb für den Einsatz der Mittel absichern:
Erstens: Die Gelder – insbesondere für Rüstungsausgaben – sollten zumindest europaweit vergeben werden. Derzeit sind Rüstungsmärkte in Europa zersplittert. Den Unternehmen fehlen Größenvorteile, und zugleich binden sich Staaten gern an die Unternehmen aus ihrer Heimat – diese Kombination ist fatal.
Gerade in der Rüstungsindustrie mit komplexen und langfristigen Großaufträgen besteht die Gefahr von langfristigen Abhängigkeiten. Staaten, die sich nicht frühzeitig dagegen schützen, bleiben auf Dauer einzelnen Unternehmen ausgeliefert.
Sie können das vermeiden, indem sie von Anfang an auf Wettbewerb setzen. Im Idealfall verteilen sie die Aufträge auf mehrere Anbieter. Dem Verlust von Synergieeffekten stehen Risikostreuung und Wettbewerbsvorteile gegenüber.
Zweitens: Die Beschaffungsverfahren sollten modernisiert werden. Planung und Ausführung sollten so weit wie möglich getrennt werden, um verschiedenen Unternehmen die Chance zu geben, sich zu beteiligen.
Die staatliche Innovationsagentur Sprind zeigt beispielhaft, wie moderne Beschaffung aussehen kann – etwa durch Ideenwettbewerbe und eine flexible Herangehensweise, die verschiedene Lösungswege zulässt, statt ein Ergebnis im Detail vorzugeben.
Bürokratie muss sinken, nicht aber die Kontrollen
Drittens: Bei der Beschaffung sollte systematisch Innovation berücksichtigt werden. Zwar wird ein Großteil des Geldes in klassische Infrastrukturprojekte wie Brücken, Panzer oder Schienen fließen. Doch Digitalisierung, KI und Dekarbonisierung treiben auch in diesen Bereichen Innovationen voran. Oft werden die Impulse von Start-ups und Forschungseinrichtungen kommen, sie sollten gezielt eingebunden werden.
Um die Großprojekte zu Katalysatoren für die Zukunft zu machen, sollten Spillover-Effekte, Dual-Use (also auch zivile Nutzung) bei militärischen Erkenntnissen und Interoperabilität bei Systementscheidungen gefördert werden.
Viertens: Die staatlichen Institutionen müssen agiler werden. Wenn die massiven Investitionen einen echten Strukturwandel in der Wirtschaft anschieben sollen, können die staatlichen Behörden nicht stehen bleiben. Sie sollten das Schuldenpaket zum Anlass nehmen, Verwaltungsmodernisierung, Entbürokratisierung und Digitalisierung voranzutreiben und damit zu verknüpfen.
Behörden leiden unter ihrer Monopolträgheit, aber auch hier kann das Wettbewerbsprinzip zu mehr Effizienz beitragen. Gezielte Anreize für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, regelmäßige Datenerhebung mit Monitoring sowie gezielte Personalrotation können starre und verkrustete Strukturen aufbrechen.
Fünftens: Je höher die Ausgaben, desto stärker müssen die Sicherungsmechanismen sein. Der Ruf nach Entbürokratisierung darf nicht dazu führen, dass auch das weggeschnitten wird, was an Kontrolle nötig ist.
Das Beihilferecht und das Vergaberecht zum Beispiel können und müssen zwar vereinfacht und beschleunigt werden, sie dienen aber dem Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen und Fehlausgaben – eine inhaltliche Entwertung wäre daher falsch. Ähnliches gilt für moderne Instrumente, mit denen Korruption und Wettbewerbsverzerrungen aufgedeckt und bekämpft werden.
Die Entscheidung des Bundestags gilt als „historisch“. Jetzt kommt es darauf an, dass sie der Start für einen Wettkampf um die Zukunft wird.
Die Autoren:
Tomaso Duso ist Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte am DIW Berlin und Vorsitzender der Monopolkommission.
Rupprecht Podszun ist Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Mitglied der Monopolkommission.