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GastkommentarWarum die europäische KI-Regulierung nicht ausreicht

Wer glaubt, dass sich der „AI Act“ der EU zum internationalen Exportschlager entwickelt, ist naiv, meint Dennis-Kenji Kipker. Die Wirtschaft stehe in der Verantwortung, wie und mit wem sie künftig strategische Kooperationen eingeht. 08.01.2024 - 08:28 Uhr

Vor knapp über einem Jahr hat die Künstliche Intelligenz (KI) mit den bahnbrechenden Fortschritten in der generativen KI ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft gefunden. Spätestens seit diesem Technologiesprung, der KI für jedermann nutzbar gemacht hat, haben Politiker lange darüber gerungen, ob und wie man KI rechtlich regulieren könnte. Nun, im Dezember vergangenen Jahres, konnte eine „historische Einigung“ in der Europäischen Union (EU) erzielt werden, wie Digitalkommissar Thierry Breton urteilte: „Die Europäische Union hat die erste umfassende KI-Regulierung der Welt!“

Zweifelsohne, der neue „AI Act“ enthält viele notwendige Anforderungen an die Sicherheit, Transparenz, Zuverlässigkeit und Vertraulichkeit von KI – und jeder neue Rechtsakt ist letztlich nur der bestmögliche politische Kompromiss.

Doch während sich die EU angesichts ihrer historischen Einigung noch auf die Schultern klopft, werden andernorts auf der Welt schon längst ganz andere Tatsachen im Hinblick auf Künstliche Intelligenz und ihre Verwendungsmöglichkeiten geschaffen: So wird KI missbraucht zu autonomer Kriegsführung, Desinformationskampagnen in nie gekanntem Ausmaß, Cyberangriffen und zu tiefgreifenden Massenüberwachungsmaßnahmen, die unsere Bürgerrechte verletzen.

>> Lesen Sie hier: Die wichtigsten Punkte des KI-Gesetzes der EU

Ein Akteur in diesem Umfeld: die Volksrepublik China. China ist schon lange nicht mehr nur die „Werkbank der Welt“, sondern in den vergangenen Jahren selbst zur Hochtechnologienation avanciert, die nach globaler Anerkennung und Hegemonie strebt. Eine eigentlich langjährige Entwicklung, die nun auf einmal aber sowohl für die Politik wie auch für die deutsche Wirtschaft überraschend zu kommen scheint.

Doch ist dem wirklich so? Mitnichten, denn die Vorzeichen dieses gravierenden Wandels in der Technologie-, Wirtschafts- und Außenpolitik Chinas waren schon seit geraumer Zeit erkennbar.

Viel zu lange hat sich der Westen auf seiner technischen Überlegenheit ausgeruht

Auch wenn die Bundesregierung im Herbst vergangenen Jahres ihre „China-Strategie“ vorgestellt hat und in dem Dokument von „Wettbewerb und systemischer Rivalität“ spricht, so kommt diese Erkenntnis um Jahre zu spät. Das ist auch daran erkennbar, dass aus politischer Sicht zwar beliebige Strategien proklamiert werden können, ihre Umsetzung aber auf einem ganz anderen Blatt steht. Und damit tut sich die Bundesregierung auch gegenwärtig noch schwer.

Für dieses Dilemma ist aber nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft verantwortlich. Lange Jahre haben sich westliche Industrienationen auf ihrer vorhandenen technischen Überlegenheit ausgeruht. Outsourcing nach Fernost schien westlichen Konzernen nur als willkommenes Mittel, um die betriebswirtschaftliche Kalkulation aufzubessern.

So auch in der KI: Nach wie vor unterhalten hier internationale Konzerne – allen voran Microsoft über seine Cloud-Plattform Azure China mit über 900 Millionen Abonnenten – umfassende KI-Geschäftsbeziehungen zum Reich der Mitte.

Auch Unternehmen wie Amazon Web Services und Meta, die in der Entwicklung und Anwendung der KI intensive Beziehungen unter anderem zu chinesischen Forschungsinstitutionen und staatlichen Einrichtungen pflegen, gehören dazu.

China will bis zum Jahr 2030 die globale Vorherrschaft in der KI erreichen

Das ist mehr als gefährlich, denn gerade die Volksrepublik China gehört nicht zu jenen Staaten, die sich den hehren europäischen Werten der KI-Nutzung verschrieben haben und verschreiben werden. Bereits jetzt wird KI hier nicht nur zum Wohle der Menschen, sondern auch zu ihrem Nachteil, ihrer Unterdrückung und Diskriminierung eingesetzt. Und damit nicht genug: Schon vor einigen Jahren hat es sich die Kommunistische Partei zum Ziel gemacht, bis zum Jahr 2030 die globale Vorherrschaft in der KI zu erreichen.

Gestützt werden diese Ambitionen durch nachrichtendienstliche Aktivitäten, strategische Interventionen, wirtschafts-, wissenschafts- und technologiepolitische Maßnahmen sowie militärische Entwicklungen.

Dass die EU nun also KI erstmals umfassend reguliert, ist eine Sache. Es wäre aber blauäugig zu behaupten, dass sich der künftige „AI Act“ ohne Weiteres zum internationalen Exportschlager entwickelt und andere Staaten weltweit nur darauf warten, ein KI-Gesetz zu kreieren, das dem europäischen ebenbürtig ist.

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Damit liegt die Verantwortung für die Nutzung dieser Technologie nicht nur bei der Politik, sondern auch bei den internationalen Konzernen – und wie diese künftig Technologieexporte betreiben und strategische Kooperationen mit ausländischen Staaten eingehen, die nicht unser Werteverständnis teilen.

Der Autor: Dennis-Kenji Kipker ist wissenschaftlicher Direktor des Cyberintelligence Institute in Frankfurt am Main sowie Berater der Bundesregierung und der Europäischen Kommission in Fragen von Cybersicherheit und internationaler IT-Strategie.

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