Gastkommentar: Wenn grüne Anleihen gar nichts ändern: Warum wir mehr grüne Substanz als grünes Marketing brauchen

Jörg Rocholl ist Präsident der European School of Management and Technology Berlin und stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium.
Was können die internationalen Finanzmärkte zum dringend benötigten grünen Umbau der Wirtschaft und damit zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen? Auf den ersten Blick eine ganze Menge, denn der Boom bei grünen Finanzierungen hält an. Noch nie wurde so viel Geld für Nachhaltigkeitszwecke an den Kapitalmärkten eingesammelt wie in diesem Jahr. Das gesamte globale Volumen nähert sich der Marke von zwei Billionen Euro.
Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass Finanzprodukte nur das Label grün erhalten müssen, um von Anlagegeld überschwemmt zu werden. Nicht nur Unternehmen reiten auf der Welle, auch Staaten haben die Nachfrage nach diesen Anlageklassen entdeckt. Im internationalen Vergleich konnte Europa sich dabei deutlich an die Spitze setzen, mit weitem Abstand folgen die USA und Asien. Schon jubilieren einige, Europa sei der große Gewinner bei grünen Finanzierungen.
Das in besonders großem Umfang zur Verfügung stehende grüne Kapital, so heißt es, werde den Umbau der Wirtschaft im Vergleich zu den USA und zu China schneller vorantreiben. Eine solche Sichtweise verkennt jedoch fundamental die Wirkungszusammenhänge von Kapitalmärkten. Eine erste kritische Frage lautet: Was ist überhaupt grüne Finanzierung? Die Ansichten dazu unterscheiden sich von Land zu Land, eine einheitliche Klassifizierung gibt es nicht.





