1. Startseite
  2. Meinung
  3. Gastbeiträge
  4. Gastkommentar: Wie mehr Generationengerechtigkeit in der Alterssicherung gelingt

GastkommentarWie mehr Generationengerechtigkeit in der Alterssicherung gelingt

In der gesetzlichen Rente leben wir in Deutschland über unsere Verhältnisse – und das sei den jungen Steuerzahlern auf Dauer nicht zuzumuten, meinen Sven Ebert und Gunther Schnabl. Sie fordern eine Aktienrente für die junge Generation. 25.03.2024 - 09:37 Uhr
Die Autoren: Gunther Schnabl (li.) ist Senior Advisor des Flossbach von Storch Research Institute und Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Sven Ebert ist Senior Research Analyst am Flossbach von Storch Research Institute. Foto: Stone/Getty Images [M]

Die deutsche Gesellschaft altert. Daher gerät die Alterssicherung zunehmend in Schieflage. Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2045 die Renten auf dem aktuellen Stand von 48 Prozent des Durchschnittsentgelts fixieren. Dafür sollen die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung von derzeit 18,6 Prozent des Bruttoeinkommens bis zum Jahr 2035 auf 22,3 Prozent steigen. Die Rentner werden zulasten der Erwerbstätigen bessergestellt.

Dabei sind die Lasten für Erwerbstätige bereits hoch: Die Rentenbezugszeit ist seit Anfang der 1990er-Jahre um 30 Prozent gestiegen, während das Rentenniveau nur um zehn Prozent gesunken ist. Um die Lücke zu füllen, sind die Bundeszuschüsse aus Steuern seit der Wiedervereinigung von 26 auf 112 Milliarden Euro gestiegen. Die zusätzlichen Lasten werden also von den Steuerzahlern getragen, wobei den größten Anteil der Steuerzahlungen die Erwerbstätigen leisten.

Von einem Rentenniveau in Höhe von 48 Prozent bis 2045 profitiert ein heute unter 30-Jähriger nicht

Für junge Menschen kommen weitere Belastungen hinzu: Die Wachstumsperspektiven der deutschen Wirtschaft sind eingetrübt, so dass mittelfristig kaum Lohnsteigerungen zu erwarten sind. Stark gestiegene Zinsen und hohe Immobilienpreise erschweren den Erwerb von Wohneigentum.

» Lesen Sie auch: Arbeitgeber rügen Rentenpaket als „teuerstes Sozialgesetz des Jahrhunderts“

Das sogenannte Generationenkapital soll künftig die junge Generation entlasten. Die Bundesregierung will mithilfe von Krediten zwischen 2024 und 2035 einen Kapitalstock in Höhe von 200 Milliarden aufbauen, der in Aktien angelegt werden soll. Ab 2036 sollen die Erträge von jährlich circa zehn Milliarden Euro die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung senken.

Gut ist, dass das Sparen mit Aktien gefördert wird. Der jungen Generation hilft es aber nur bedingt, weil die Entlastung mit bis zu 0,4 Prozentpunkten der Beiträge im Jahr 2045 begrenzt ist. Von einem garantierten Rentenniveau bis 2045 in Höhe von 48 Prozent profitiert ein heute unter 30-Jähriger gar nicht.

Noch besser wäre deshalb eine Aktienrente für die junge Generation, in der sozialversicherungspflichtig Beschäftigte unter 30 Jahren die Hälfte ihrer Beiträge im Aktienmarkt anlegen dürften, statt an die gesetzliche Rentenversicherung abführen zu müssen. Knapp zehn Prozent des Bruttolohns würden so fürs Alter gespart. Streut man die Aktien global, umginge man die Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft.

Einzahlungen und Erträge sollten dem jungen Sparer auf einem persönlichen Konto gutgeschrieben werden. Die Rücklagen wären so dem Zugriff der Politik entzogen und könnten nicht zur Finanzierung von Partikularinteressen wie zum Beispiel der „Rente mit 63“ verwendet werden. Ausgezahlt wird erst bei oder nach Renteneintritt.

Die Mindereinnahmen für die Rentenversicherung lassen sich wie folgt überschlagen: Rund 20 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland sind unter 30 Jahre. Zahlen sie nur die Hälfte ihrer Beiträge, fehlen in erster Näherung zehn Prozent der Beitragseinnahmen. Da der Durchschnittslohn der Altersgruppe jedoch nur 75 Prozent des allgemeinen Durchschnittslohns beträgt, fehlen nur 7,5 Prozent der Beiträge. Aktuell entspräche das circa 22 Milliarden Euro.

Hebt man die Lebensarbeitszeit nicht an, können nur höhere Steuern weitere Schulden verhindern

Vom Zinseszinseffekt profitiert, wer beispielsweise mit 20 Jahren zu sparen beginnt: Ein realer Kurszuwachs inklusive Dividenden von 5,4 Prozent pro Jahr, was der Entwicklung eines globalen Aktienindex seit 1970 entspricht, ergibt im Alter von 70 Jahren ein Kapital von über zehn Bruttojahresgehältern.

Da Rentenkürzungen nicht zumutbar sind, sollte das Renteneintrittsalter angehoben werden, um die entstehende Beitragslücke zu schließen. Wer kann, soll länger arbeiten. Die Ausweitung einer Erwerbstätigkeit von 45 Jahren um 7,5 Prozent entspricht etwa einer drei Jahre längeren Lebensarbeitszeit. Zusammen mit der bereits beschlossenen Erhöhung des Renteneintrittsalters um zwei Jahre auf 67 ginge man künftig regulär mit 70 Jahren in Rente. Die mittlere Rentenbezugszeit würde mit 15 Jahren auf den Stand von 1990 sinken.

Dieser Einschnitt ist nötig, da wir in der gesetzlichen Rente über unsere Verhältnisse leben. Seit vielen Jahren schieben wir implizite Schulden vor uns her. Im Jahr 2023 waren es über 380 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dies sind künftige staatliche Leistungen, die nicht durch künftige Steuereinnahmen gedeckt sind. Ein großer Teil davon resultiert aus Renten- und Pensionsversprechen sowie dem Gesundheitssystem. Hebt man die Lebensarbeitszeit nicht an, können nur Steuererhöhungen zusätzliche Schulden verhindern. Dies ist der jungen Generation nicht zuzumuten.

Für junge Arbeitnehmer wirkt eine Aktienrente als Leistungsanreiz, da sie eine individuelle Altersversorgung aufbauen, statt weiter ein System zu füttern, in das sie zunehmend den Glauben verlieren.
Sven Ebert und Gunther Schnabl

Für junge Arbeitnehmer wirkt eine solche Aktienrente als Leistungsanreiz, da sie eine individuelle Altersversorgung aufbauen, statt weiter ein System zu füttern, in das sie zunehmend den Glauben verlieren. Und der Staatshaushalt wird nicht weiter belastet. Der Preis, eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit, wird von allen Erwerbstätigen bezahlt, weil alle länger arbeiten. Wer heute schon Rentner ist, würde nicht schlechtergestellt.

Verwandte Themen
Deutschland
Aktienrente
Altersvorsorge

Es entsteht ein fairer gesellschaftlicher Kompromiss! Es wäre ein erster Schritt, um die gesetzliche Rente von der Demografie in Deutschland abzukoppeln. Dazu gibt es einen weiteren Vorteil: Jungen Menschen würden die Vorteile eigenverantwortlichen, aktienbasierten Sparens nahegebracht. Davon profitieren sie selbst und viele Generationen nach ihnen.

Die Autoren:
Sven Ebert ist Senior Research Analyst am Flossbach von Storch Research Institute.
Gunther Schnabl ist Senior Advisor des Flossbach von Storch Research Institute und Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig.

Mehr: „Das Rentenpaket verfolgt sicher nicht das Prinzip des Generationenausgleichs“

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt