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GastkommentarWir können wieder der Motor Europas werden

Erfolg und Wohlstand waren immer Kennzeichen unseres Landes. Arbeitsethos und Erfindergeist sind legendär. Deutschland sollte aber mehr wagen – ohne enges Korsett, meint Hubertus von Baumbach. 19.02.2025 - 04:20 Uhr Artikel anhören
Der Autor: Hubertus von Baumbach ist CEO von Boehringer Ingelheim. Foto: Imago, Getty Images [M]

Deutschland ist ein starkes Land – ein Land, das auf einem stabilen Fundament steht, das an die Kraft der internationalen Zusammenarbeit glaubt, vom freien Handel profitiert und in dessen Herzen Mittelstand und Industrie, Universitäten und Start-ups an den Innovationen von morgen arbeiten.

Es ist ein Land, in dem kluge Köpfe gemeinsam neue Ideen entwickeln und in dem weiter in Forschung, Entwicklung und Produktion investiert wird. Ein Land, das auf einem verlässlichen Rechtssystem aufbaut, in einer starken Verfassung verankert ist, für Demokratie und Vielfalt eintritt und mit dem Modell der Sozialen Marktwirtschaft ein Gesellschaftssystem entwickelt hat, für das wir in der Welt viel Anerkennung bekommen.

Hoher Anspruch an Qualität und Arbeitsethos haben Deutschland wettbewerbsfähig gemacht

Die Ausgewogenheit dieses Systems, der Glaube an die Fähigkeit zur Innovation sowie der hohe Anspruch an Qualität und Arbeitsethos haben uns in den vergangenen Dekaden zu einer der international wettbewerbsfähigsten Gesellschaften gemacht. Diese Faktoren waren das Vorbild für viele andere Länder. All das ist die Basis für Erfolg und Wohlstand. All das gibt mir Grund zur Zuversicht.

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Zugleich sehe ich die wachsende geopolitische Unsicherheit und die protektionistischen Strömungen, vor allem in den USA und China. Und ich höre in Deutschland wie auch in unseren europäischen Nachbarstaaten, dass die populistischen Stimmen an den politischen Rändern lauter werden und Ängste schüren.

Das sollte für uns kein Grund sein, leise zu werden. Ganz im Gegenteil: Wir sollten uns auf das besinnen, was uns stark macht, nämlich auf unsere Offenheit und unseren Erfindergeist. Nicht zuletzt unter dem Eindruck des demografischen Faktors, aber auch im ureigenen Interesse unserer Innovationskraft müssen wir als Gesellschaft weiterhin attraktiv bleiben. Auch für diejenigen, die von außen dazu beitragen wollen.

Es gilt, den Blick mehr auf die Chancen und weniger auf die Probleme zu richten

Keine Frage: Wir brauchen Investitionen in die Zukunft, in Sicherheit und in neue Technologien. Es gilt, einseitige Abhängigkeiten zu reduzieren und Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Nur als ein in seiner Vielfalt und seinen Werten, in seiner Stimme und seinen Taten geeintes Europa werden wir konkurrenzfähig bleiben. Nur als wirtschaftlich starkes Europa werden wir international relevant bleiben. Wir Europäer müssen wieder näher zusammenrücken, schneller und mutiger Entscheidungen treffen – bereit sein, auch kontrollierte Risiken einzugehen, und dabei nicht der Versuchung erliegen, Risiken gänzlich vermeiden zu wollen.

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Wir benötigen schnelleren Zugang zu zukunftsträchtigen Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI), eine modernere Infrastruktur und unterstützende Bürokratie mit dem klaren Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die Unabhängigkeit Europas zu sichern. Wir alle sollten unseren Blick mehr auf die Chancen und weniger auf die Probleme richten, mehr wagen, weniger Bedenken tragen. Eine starke Wirtschaft braucht Leitplanken, kein Korsett.

Ein Beispiel aus der pharmazeutischen Industrie zeigt, dass die Innovationslücke wächst. China und die USA überholen uns, weil die Rahmenbedingungen in Europa und in Deutschland nicht vergleichbar sind. Während weltweit die klinischen Studien in den vergangenen zehn Jahren um 38 Prozent zugenommen haben, ist der Anteil der in der Europäischen Wirtschaftszone durchgeführten Studien von 22 Prozent im Jahr 2013 auf zwölf Prozent im Jahr 2023 gesunken.

Deutschland rutschte von Platz zwei auf Platz sieben. Dabei ist klinische Forschung nicht nur ein Indikator für die medizinische Innovationskraft eines Landes. Sie sagt auch aus, wie schnell hiesige Patientinnen und Patienten Zugang zu innovativen Medikamenten erhalten.

Was Deutschland braucht, um zu neuer Kraft zu finden, sind gesellschaftliche und politische Stabilität sowie verlässliche und zukunftssichere Rahmenbedingungen.

Die nächste Bundesregierung muss entschlossen handeln. Forschung und Wirtschaft sind die essenziellen Zutaten unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und müssen gestärkt werden. Wir können wieder der Motor Europas werden. Wirtschaft und Gesellschaft unterscheiden sich hier nicht: Relevant bleiben wir nur dann, wenn wir bereit sind, uns an den anderen zu messen und auch herausfordernde Veränderungen nicht scheuen. Andere EU-Länder, wie Griechenland und Irland, haben bewiesen, dass es gelingen kann.

Verwandte Themen Deutschland Europa USA China Boehringer Ingelheim Forschung

Was Deutschland braucht, um zu neuer Kraft zu finden, sind gesellschaftliche und politische Stabilität sowie verlässliche und zukunftssichere Rahmenbedingungen. Daran liegt mir als Unternehmer und als Familienvater. Die Zukunft der nächsten Generationen steht in unserer Verantwortung, denn auch uns wurde diese Chance gegeben. Wenn wir gemeinsam darauf hinarbeiten, haben wir allen Grund zum Optimismus. Jeder von uns kann dazu beitragen.

Der Autor:
Hubertus von Baumbach ist CEO von Boehringer Ingelheim.

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