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GeldanlageJeder Säugling braucht ein Altersvorsorge-Depot

Wir benötigen eine Rentenreform, um endlich das Versprechen „Wohlstand für alle“ einzulösen. Das Momentum ist da – wir sollten es nutzen, fordert Deutsche-Börse-Chef Stephan Leithner. 10.09.2025 - 04:11 Uhr Artikel anhören
Stephan Leithner ist CEO der Deutsche Börse Group. Foto: DEEPOL by plainpicture [M]

Unsere Sozialsysteme stehen vor nie da gewesenen Herausforderungen: Die demografische Entwicklung schreitet unaufhaltsam voran, die Finanzierung der Rente wird zu einer immer größeren Belastung.

Ausgaben für dringende staatliche Investitionen bleiben auf der Strecke. Zukunftssicherung, Generationengerechtigkeit und letztlich der soziale Frieden stehen auf dem Spiel.

Wer heute noch glaubt, das Problem aussitzen zu können, verkennt die Dramatik. Die Unsicherheit über die Finanzierung des Ruhestands bremst unseren Konsum und nagt am Mut zu Innovation und Investition.

Politisch ist das Thema brisant – schon zaghafte Reformvorschläge kosten Wählerstimmen. Dennoch: Nichts ist unsozialer, als dieses Problem auf die lange Bank zu schieben. Dort liegt es schon etliche Jahrzehnte.

Die Rentenreform von 1957 legte den Grundstein für die rein umlagefinanzierte Rente – aus heutiger Sicht ein folgenschwerer Fehler. Ludwig Erhard, Vater von Wirtschaftswunder und Sozialer Marktwirtschaft, hatte sich mit seiner Präferenz einer kapitalgedeckten Altersvorsorge nicht durchgesetzt. Er erkannte damals bereits das große Potenzial des Kapitalmarkts für den Wohlstand unserer Gesellschaft.

Andere Länder machen vor, wie es gehen kann

Nun ist es höchste Zeit, sich auf eine Soziale Marktwirtschaft zu besinnen, die das Soziale an einen starken Kapitalmarkt koppelt. Damit wir Ludwig Erhards Ziel „Wohlstand für alle“ endlich für alle Lebensphasen gerecht werden.

Deutschland hat die Chance, die Erfolgsformel der 50er-Jahre neu zu prägen – als Soziale Kapital-Marktwirtschaft.

Das Momentum ist da: Die Stärkung des Kapitalmarkts steht endlich ganz oben auf der politischen Agenda in Berlin und Brüssel. Zur Finanzierung von Innovationen und moderner Infrastruktur – aber auch, um Wertschöpfung in Wohlstand und eine sichere Altersvorsorge zu übersetzen.

Damit alle an Bord sind, muss klar werden: Der Kapitalmarkt ist für alle Menschen da.

Dazu brauchen wir endlich den großen Wurf für ein zukunftsfähiges Altersvorsorgekonzept, das den Kapitalmarkt in allen drei Säulen berücksichtigt – der staatlichen, betrieblichen und privaten. In Letzterer etwa über eine kapitalgedeckte private Altersvorsorge. Wir brauchen einen Regulierungsrahmen, der Chancen nutzbar und Risiken beherrschbar macht. 100 Prozent Garantie liefert nun mal keine akzeptablen Renditen.

Vorbilder gibt es reichlich: gesetzliche Aktienrente in Schweden, betriebliche Altersvorsorge in der Schweiz oder private Altersvorsorgedepots in Großbritannien – sie alle nutzen die Chancen des Kapitalmarkts.

Fangen wir an, unser Potenzial hierzulande auszuschöpfen und alle zentralen Akteure ins Boot zu holen: Bürgerinnen und Bürger, Gewerkschaften, Wirtschaft und Politik.

Wir haben bereits ambitionierte Angebote wie das Sozialpartnermodell für betriebliche Renten, das auf Garantien verzichtet und renditestarke Investitionen am Kapitalmarkt ermöglicht. Aktuell nutzen nur die Chemieindustrie und ein Unternehmen dieses Modell.

Wir können das Momentum in Europa nutzen

Wir müssen groß denken. Im Koalitionsvertrag gibt es dazu Bausteine: Frühstartrente, Altersvorsorgedepot, Neuaufstellung der falsch konzipierten Riester-Rente. Vieles muss ambitionierter werden.

Was aber vor allem fehlt, ist ein ganzheitlicher Ansatz. Nur ein Beispiel: Nach der Geburt bekommt jeder Säugling eine Steuernummer zugeschickt – warum nicht auch gleich eine Depotnummer?

Also: Frühstartrente bereits ab dem ersten Lebensjahr, verknüpft mit einem einfachen, steuerbegünstigten Altersvorsorgedepot, das bis ins Alter auch privat bespart werden kann.

Auch auf EU-Ebene liegen mit den Plänen für eine Spar- und Investitionsunion erste vielversprechende Ansätze vor – damit ein starker Kapitalmarkt staatliche Impulse multiplizieren und privates Kapital mobilisieren kann.

Institutionelle Investoren wie Pensionskassen verfügen über Milliarden, die bislang nur eingeschränkt in Zukunftsinvestitionen fließen dürfen. Neben neuen Konzepten wie einem europäischen Rahmen für ein Vorsorgedepot muss aber auch der bestehende Regulierungsrahmen dringend vereinfacht werden.

Deutsche Konzepte müssen mit den Plänen auf EU-Ebene kompatibel sein – und frei von „Gold Plating“, also dem Übererfüllen von europäischen Vorgaben.

Ich bin überzeugt, dass wir das Momentum in Europa nutzen können: Die Bundesregierung und die EU-Kommission haben sich zu einem leistungsfähigen Kapitalmarkt bekannt. Nach der Sommerpause müssen in diesem Politikfeld nun wichtige Grundsatzentscheidungen getroffen werden.

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Dabei muss die Devise lauten: gemeinsam mutig handeln. Setzen wir das Potenzial einer Sozialen Kapital-Marktwirtschaft endlich frei.

Der Autor: Stephan Leithner ist CEO der Deutsche Börse Group.

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