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Prüfers KolumneMenschen mit Dialekt sind besonders verträglich – und sollten bevorzugt eingestellt werden

Arbeitnehmer mit einem regionalen Akzent erhalten laut einer Studie weniger Geld als ihre hochdeutsch sprechenden Kollegen. Dabei sollten Arbeitgeber sie besonders wertschätzen.Tillmann Prüfer 15.02.2020 - 10:52 Uhr

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.

Foto: Handelsblatt

Offenbar gibt es eine Gruppe von diskriminierten Arbeitnehmern, von der nur selten die Rede ist: Menschen mit Dialekt. In der „Welt“ las ich von einer Studie, die das National Bureau of Economic Research in den USA veröffentlicht hat: „The Wage Penalty of Regional Accents“.

Also darüber, wie Dialektsprecher beim Gehalt abgestraft werden. Die Ökonomen Jeffrey Grogger, Andreas Steinmayr und Joachim Winter gingen der Frage nach, ob Menschen, die in Deutschland einen regionalen Dialekt sprechen, tatsächlich Nachteile im Beruf haben.

Und tatsächlich: Menschen, die einen regionalen Akzent haben, müssen mit 20 Prozent weniger Gehalt rechnen als Menschen, die hochdeutsch sprechen. Das bedeute, dass der „Regional-Accents-Pay-Gap“ vergleichbar sei mit dem „Gender-Pay-Gap“.

Die Wissenschaftler hatten bewusst Deutschland gewählt, weil es hier besonders viele regionale Dialekte gibt. Bei der Befragung wurden Effekte wie das Bildungsniveau herausgerechnet. Das bedeutet: Wer mittelstark oder stark Mundart spricht, bekommt ein Fünftel weniger Gehalt als ein ansonsten gleich qualifizierter Angestellter, der hochdeutsch spricht.

Außerdem, so ergab das Forschungsprojekt, werden Dialektsprecher häufiger von Stellen ferngehalten, die einen direkten Kontakt mit Kunden erfordern. Leider sagt die Studie nicht, welche Dialekte zu besonderer Diskriminierung führen.

Aber man wundert sich schon, dass Baden-Württemberg als prosperierende Region noch damit Werbung macht, dort alles, nur kein Hochdeutsch zu beherrschen. Vielleicht kann man dort in Wirklichkeit besser Hochdeutsch, als man zugeben möchte.

Wer Dialekt spricht, bekommt überall zu hören, das sei ein Problem: Ich habe auf einem Karriere-Portal gelesen, dass man als starker Dialektsprecher lernen sollte, ins Hochdeutsche „umzuschalten“. Zwar sei Hochdeutsch „durchaus als Fremdsprache“ anzusehen, aber im Job könne es „ein großer Vorteil“ sein.

Man verweist dabei auf ein Ranking der beliebtesten Dialekte in Deutschland. Bayerisch steht auf Platz eins, Sächsisch nur auf Platz sieben, am unbeliebtesten sind das Pfälzische und das Badische.

Es werden auch zahlreiche Kurse angeboten, in denen trainiert wird, hochdeutsch zu sprechen. Dabei wird stets betont, dass es nicht darum gehe, den Dialekt „loszuwerden“, sondern eben „umschalten“ zu können. „Akzentfrei deutsch sprechen wirkt souveräner und förmlicher“, heißt es etwa auf der Seite eines „professionellen Coaches“.

Heißt wohl im Umkehrschluss: Wer Dialekt spricht, wirkt informell und unsouverän. Man überlege sich mal, es würden in ähnlicher Weise Kurse für Frauen angeboten, in denen ihnen beigebracht würde, eher wie ein Mann zu reden, weil das souveräner wirke. Man würde sich darüber entrüsten, oder?

Der US-Studie nach sind zwölf Prozent der Deutschen mittelstarke bis starke Dialektsprecher. Wenn also fast zehn Millionen Deutsche zu einer diskriminierten Minderheit gehören, fragt sich, warum es dagegen noch keinen öffentlichen Aufschrei in hundert Dialekten gegeben hat.

Möglicherweise sind Dialektsprecher aber auch besonders verträgliche Menschen, die sich nicht so schnell aufregen. So jemanden sollte man unbedingt einstellen.

Mehr: Egal ob Mobilfunkvertrag oder Netflix: Noch immer lassen Firmen Abonnements einfach weiterlaufen, wenn der Kunde nicht rechtzeitig selbst kündigt, beobachtet Tillmann Prüfer.

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