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InnovationDie Kreativität stirbt im Regeldickicht

Mehr Freude am Problemlösen: Dieses Prinzip sollte sich durch alle Ebenen des Bildungssystems ziehen, meint SAP-Vorstandschef Christian Klein. 10.10.2024 - 17:00 Uhr Artikel anhören
Christian Klein ist Vorstandsvorsitzender des Softwarekonzerns SAP. Foto: Skizzomat, Dpa

Als Vater beobachte ich gerne, wie meine Kinder schrittweise die Welt erkunden – ausprobieren, scheitern, lernen und noch einmal neu beginnen. Genauso funktioniert digitale Innovation, weil dabei Produkte am individuellen Markt- und Kundenbedarf immer wieder neu ausgerichtet werden. Wie lässt sich diese mutige Herangehensweise im großen Stil fördern – inklusive Can-Do-Mentalität, Zukunftsoptimismus und Risikobereitschaft?

Dass wir eine Antwort auf diese Frage finden, wird auch darüber entscheiden, ob Deutschland technologisch und wirtschaftlich wieder zur Weltspitze aufschließen kann. Für mich ist das die zentrale wirtschaftliche Herausforderung, vor der unser Land steht. Es geht um nicht weniger als eine kulturelle Zeitenwende – im Bildungssystem, in der Organisation innovativer Ökosysteme und in den politischen Strukturen.

>> Dieser Gastkommentar ist ein Beitrag zur großen Handelsblatt-Aktion „Zukunftsplan Deutschland“. Alle Texte finden Sie hier.

Bleiben wir zunächst beim Bildungssystem. Hier müssen wir Neugierde und Lösungsorientierung stärker fördern. Wir benötigen viel mehr Programme, durch die etwa Grundschüler frühzeitig Interessen und Talente vertiefen können. Im Bereich digitaler Bildung sind massive Investitionen zwingend erforderlich, aber nicht nur in Endgeräte, sondern insbesondere in die Aus- und Weiterbildung unserer Lehrkräfte, zum Beispiel in den Bereichen Digitalkompetenz und innovative Lernkonzepte.

Innovationsfreundliche Ökosysteme: Vorbild USA

Die Politik kann dabei helfen, dass sich Lehrpläne und Fächer in Schulen und Unis zügiger an neue Technologien wie Künstliche Intelligenz oder an aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragestellungen anpassen. Theorie und Praxis müssen dabei stärker Hand in Hand gehen.

Innovationsfreundliche Ökosysteme sind das Erfolgsrezept der USA als weltweit führende Wissenschafts- und Technologienation. Auch dank staatlicher Fördergelder haben sich dort zahlreiche Cluster aus Universitäten und Unternehmen gebildet. Das Silicon Valley ist das bekannteste Beispiel. Hier werden wissenschaftliche Erkenntnisse entlang der Herausforderungen der Praxis weiterentwickelt und möglichst schnell in die Wirtschaft übertragen. Studenten, Kunden, Investoren und Unternehmer sitzen Tür an Tür. Start-ups können dank niedriger bürokratischer Hürden und umfangreicher Infrastruktur rasch wachsen.

Beispiele, wie das auch in Deutschland funktionieren kann, zeigen etwa die Technische Universität München (TUM) und das Karlsruhe Institute of Technology (KIT). Aber es braucht noch weit mehr dieser hochinnovativen Ökosysteme. Unser Land verfügt über viele engagierte und fleißige junge Menschen und sehr gute Universitäten. Um unseren starken Mittelstand und die global führenden Industrieunternehmen beneiden uns andere Länder. Wir müssen sie nur noch stärker zusammenbringen.

Die Politik kann diese Ökosysteme fördern und den regulatorischen Rahmen weiter verbessern. Aktuell jedoch überfrachten wir junge Unternehmen mit Bürokratie und einem Regeldickicht, verdrängen damit nicht wenige ins Ausland oder ersticken Innovationen im Keim.

Digitalministerium auf Bundesebene wäre ein Ausweg

Eine Kulturwende für Innovation brauchen wir auch in den politischen Strukturen. Der Föderalismus hat in Deutschland eine wichtige Geschichte und klare Vorzüge – Stichwort Bürgernähe. Aber er bringt auch Nachteile mit sich: Jedes Bundesland trifft individuelle Entscheidungen, zum Beispiel was die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung angeht. Das ist nicht nur teuer und ineffizient. Es ist ein Flickenteppich, der den Fortschritt erschwert.

Damit Deutschland wieder zur Weltspitze aufschließt, braucht es bei der Digitalisierung mehr zentrale Entscheidungen und Koordination.
Christian Klein

Ein möglicher Ausweg ist ein Digitalministerium auf Bundesebene, um eine länderübergreifende digitale Agenda voranzutreiben und Schlüsselfragen einheitlich zu beantworten. Wie sieht zum Beispiel eine Bildungsplattform für Schüler und Studenten aus? Wie bringen wir die digitale Krankenakte und einen digitalen Bürgerservice auf den Weg? Damit Deutschland wieder zur Weltspitze aufschließt, braucht es bei der Digitalisierung mehr zentrale Entscheidungen und Koordination.

Deutschlands stagnierendes Wachstum benötigt Innovationen. Statt in dystopische Untergangsszenarien zu verfallen, sollten wir die Strukturen unserer Gesellschaft entsprechend reformieren. Das gegenwärtige Krisenbewusstsein in unserem Land ist eine Chance, Veränderungen anzustoßen. Schon einmal hat die Bundesrepublik mit der Agendapolitik vor 20 Jahren große Reformen auf den Weg gebracht. Es gibt keinen Grund, warum wir das nicht wiederholen könnten.

Verwandte Themen Deutschland Christian Klein USA SAP Digitalisierung Silicon Valley

Die konkreten Handlungsempfehlungen:

    Massive öffentliche Investitionen in unser Bildungssystem mit dem Schwerpunkt auf der Förderung von Neugier und Lösungsorientierung.Weniger Bürokratie für Unternehmen, stattdessen die systematische Förderung von Ökosystemen aus Forschung, Start-ups und Investoren.Ein Digitalministerium auf Bundesebene, das sich zum Beispiel um eine einheitliche digitale Bildungsplattform und einen digitalen Bürgerservice kümmert.

Mehr: Alles ist da für die Zukunft – „Die Welt beneidet uns ums Wissenschaftssystem“

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