1. Startseite
  2. Meinung
  3. Gastbeiträge
  4. USA-Politik: Deutschland muss jetzt wieder seine drei Stärken ausspielen

USA-PolitikDeutschland muss jetzt wieder seine drei Stärken ausspielen

Ein skrupelloser US-Präsident fordert die Welt heraus. Jetzt kommt es auf Fertigkeiten an, die uns in die Weltspitze gebracht haben, meinen Joschka Fischer und Harald Christ. Ein Gastkommentar. 28.01.2025 - 10:27 Uhr Artikel anhören
Die Autoren Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 Bundesaußenminister und Vizekanzler. Harald Christ ist Chairman der Unternehmensberatung Christ & Company Consulting GmbH in Berlin. Foto: DPA/IMAGO/PR

Mit Donald Trumps Antritt als US-Präsident am 20. Januar hat sie begonnen – die zweite Amtsperiode eines Präsidenten, der mit mehr Macht und weniger Skrupeln ausgestattet ist als alle seine Vorgänger. Er hat die Mehrheit in beiden Kammern des US-Kongresses und den Obersten Gerichtshof und die einflussreichsten Unternehmer des Landes auf seiner Seite. Damit hat er nicht nur den Weg frei, die USA von einer Demokratie hin zu einer Oligarchie umzubauen – sondern hat damit bereits begonnen.

Die europäische Familie glänzte in letzter Zeit nur selten durch Einigkeit und Tatendrang

Der mächtigste Mann der Welt und der reichste Mann der Welt, Hitlergruß-Fan Elon Musk, werden versuchen, das Land nach ihrem Gusto umzugestalten. Ob ein jahrzehntelang von den USA geprägter, freiheitlich-demokratischer Westen ausgerechnet ohne sein wichtigstes Zugpferd auskommt, hängt nun an uns, der europäischen Familie, die in letzter Zeit nur selten durch Einigkeit und Tatendrang glänzte.

Ukraine-Krieg

Trump droht Putin und fordert Ende des Krieges – Moskau reagiert betont gelassen

Doch jetzt geht es ans Eingemachte – denn die transatlantische Brücke, Garant für unsere Freiheit, Sicherheit und auch unseren Wohlstand, trägt nicht mehr. Dafür reicht schon ein Blick auf die Handelspolitik Trumps. Zölle werden wieder zu einem wesentlichen Instrument der Außenpolitik. Bei Zöllen von zehn Prozent auf europäische Waren würden die deutschen Exporte in die USA mittelfristig um 15 Prozent einbrechen, prognostiziert das Kieler Institut für Weltwirtschaft. Auch wird Donald Trump weiterhin wenig Interesse an einer geopolitisch und wirtschaftlich stärkeren Europäischen Union (EU) zeigen.

Die Parole, hinter der wir Europäer uns wieder vereinen müssen, ist Souveränität. Wir brauchen eine selbstbewusste und gemeinsame Außenpolitik, die zu liefern in der Lage ist und auf politische Vorstöße aus Washington nicht nur reagiert, sondern sie antizipiert. Wir brauchen eine erwachsene Handelspolitik, die unsere Interessen wahrt, eine Verteidigungspolitik, die Europas Sicherheit bewahrt, und eine Industriepolitik, die mit den USA mithalten kann – gerade in Zukunftsbranchen.

In Sachen Digital- und Technologiewirtschaft braucht Europa eine einheitliche Industriestrategie

Schon in den ersten Stunden seiner Präsidentschaft hat Trump die Partnerschaft der zwei US-Konzerne Oracle und OpenAI mit dem japanischen Investitionsunternehmen Softbank verkündet. Zusammen wollen sie 500 Milliarden Dollar in die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) und Rechenzentren investieren, um die USA zur unangefochtenen KI-Führungsnation zu machen.

Der „Stargate“ getaufte Paukenschlag ist mehr als ein Großprojekt. Er ist eine Kampfansage an die Welt. Europa steht unter Zugzwang, eine gemeinsame Industriestrategie in Sachen Digital- und Technologiewirtschaft zu formulieren – und zwar jetzt. Wir können uns unsere aktuell bestehende Abhängigkeit von den USA in diesem kritischen Bereich ebenso wenig leisten wie in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Zum Gradmesser unserer Souveränität wird nicht zuletzt die Ukraine werden. Zwar hat Trump den Ukrainekrieg weder binnen 24 Stunden beendet noch überhaupt in seiner Antrittsrede erwähnt, doch seine Äußerungen in den Folgetagen legen die Vermutung nahe, dass die neue US-Administration einem Einfrieren des Konflikts nicht abgeneigt scheint.

Mit Blick auf den aktuellen Frontverlauf würde das bedeuten, dass die Ukraine etwa ein Fünftel ihres Staatsgebiets an Russland verliert und Europa womöglich einer neuen Migrationswelle Herr werden müsste. Wir müssen einen Weg finden, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine, aber auch unsere eigene allein aufrechtzuerhalten. Ohne massive und damit schuldenfinanzierte Investitionen in die Rüstungsproduktion und Militärtechnologie wird es nicht gehen.

Eine starke deutsch-französische Partnerschaft und eine Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks mit Polen sind nicht nur essenziell, sondern bilden auch ein Sicherheitsnetz für Europa.
Joschka Fischer und Harald Christ

Wir Deutschen müssen konsequenter darin sein, verteidigungspolitisch, geopolitisch, industrie- und handelspolitisch europäisch zu denken – und das auch von unseren Partnern zu erwarten. Eine starke deutsch-französische Partnerschaft und eine Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks mit Polen sind nicht nur essenziell, sondern auch ein mögliches Sicherheitsnetz, sollten EU-weite Einigungen nicht möglich sein. Leider sind wir davon aber noch weit entfernt.

Emmanuel Macron hat in der Vergangenheit etwa in Sachen europäisches Verteidigungsbündnis immer wieder Vorstöße gewagt, die in Deutschland allerdings verhallten. Als einzige verbliebene Atommacht der EU mit einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat hat Frankreich einen Führungsanspruch. Dieser Anspruch kann aber nur durch enge Kooperation mit den europäischen Partnern in der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik verwirklicht werden.

An den Verhandlungstisch kommen wir neben Frankreich zwar als militärischer Juniorpartner – aber als wirtschaftspolitisches Schwergewicht. Bei allem Pessimismus: Deutschland ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, unsere Schuldenquote ist deutlich geringer als die französische, und unsere Unternehmen gehören in vielen Bereichen zur Weltspitze. Das haben wir geschafft, weil wir unsere Stärke ausgespielt haben: Kooperation, Handel und das Denken in Bündnissen. Auf diese Fertigkeiten kommt es jetzt an.

Verwandte Themen US-Wahlen USA Europäische Union Außenpolitik

Die Autoren:
Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 Bundesaußenminister und Vizekanzler.
Harald Christ ist Chairman der Unternehmensberatung Christ & Company Consulting GmbH in Berlin.

Außenpolitik

Deal mit US-Gas und Kampfjets: Wie die EU den Handelskrieg mit Trump verhindern will

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt