Gastkommentar – Global Challenges: EU-China-Gipfel – Keine Symbolpolitik, sondern klare Prinzipien
Wenige rechnen noch mit substanziellen Ergebnissen des EU-China-Gipfels an diesem Donnerstag in Peking. Bis kurz vor Beginn wurden noch Kompromisse ausgelotet, und das inmitten eines drohenden neuen Streits um Sanktionen gegen chinesische Firmen und Banken wegen Chinas Unterstützung für Russland. Aber es sieht nicht so aus, als würde eine der beiden Seiten Zugeständnisse machen.
Dass das im Jahr 2020 ausverhandelte, aber dann von der EU doch nicht ratifizierte Investitionsabkommen Comprehensive Agreement on Investment (CAI) im Vorfeld des Gipfels nun wieder als Türöffner für bessere Beziehungen diskutiert wird, zeigt entweder das Ausmaß der Verzweiflung oder der Missverständnisse.
Wer heute auf das CAI setzt, verwechselt Symbolik mit Strategie. Und wer glaubt, dass Europa seine Zölle auf chinesische Elektroautos gegen Zugang zu chinesischen kritischen Rohstoffen tauschen sollte, verkennt die neuen Realitäten einer Welt des wirtschaftlichen Zwangs.
Die EU muss jetzt, mit Unterstützung Berlins, eine robuste Außenwirtschaftspolitik gegen Widerstände durchsetzen.
Das CAI war bereits Ende 2020 eine riskante Wette. Der wirtschaftliche Mehrwert war begrenzt, die Umsetzung ungewiss. Seitdem hat sich die Welt verändert, und sowohl die Erfolge als auch die Verzerrungen des hybriden Kapitalismus in China schlagen für alle sichtbar voll auf den Industriestandort Deutschland durch.
Es braucht Investitionen und mehr ausgeglichenen Handel zwischen China und Europa. Aber Peking muss verstehen, dass die EU nicht zur Geschäftsgrundlage der 2010er-Jahre zurückkehren kann.
Warum das Investitionsabkommen CAI keine gute Lösung wäre
Denn das CAI wäre nicht zuletzt ein Blankoscheck für chinesische Investitionen in sicherheitsrelevante europäische Energieinfrastruktur. Chinas Verpflichtungen – wie die Lockerung der Joint-Venture-Anforderungen für Krankenhäuser in nur acht chinesischen Städten – wären weit entfernt von gleichberechtigtem Marktzugang.
Das CAI-Abkommen ignoriert zudem die hohen informellen Hürden, vor denen europäische Unternehmen in China stehen – von undurchsichtiger Lizenzierung und politischer Einflussnahme bis zu Beschränkungen des Datenverkehrs.
Auch der Investitionsschutz bleibt unterentwickelt. Und Chinas ohnehin bescheidene Zusicherungen bei Arbeiterrechten machen es Unternehmen schwer, mit dem Verdacht und Vorwürfen von Zwangsarbeit umzugehen.
Europäische Investoren in China brauchen heute kein CAI: Sie müssen ihre Hausaufgaben und Risikoanalysen machen, um in einem politisierten, harten Preis- und Hochgeschwindigkeitswettbewerb zu bestehen – und zugleich langfristig Alternativen aufbauen.
Brüssel darf nicht zur Erpressung einladen
Problematisch ist auch die Idee, die Rücknahme der EU-Anti-Subventions-Zölle gegen chinesische Elektroautos könnte zu einer wohlwollenden Behandlung bei Pekings Exportkontrollen führen. Die europäischen Zölle sind das Ergebnis eines regelbasierten Verfahrens, das Markt- und Wettbewerbsverzerrungen ausgleichen soll.
Peking nutzt seine neuen Export- und Technologiekontrollen hingegen nicht nur für den Schutz legitimer nationaler Sicherheitsinteressen. Sie sind Verhandlungshebel und dienen der Steuerung von Lieferketten und Umsetzung industriepolitischer Ziele.
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Dass Peking dazu in der Lage ist, ist auch das Resultat strategischer Blindheit in Europa. Gerade Deutschlands Verletzlichkeit durch kritische Abhängigkeiten ist zuletzt weiter gestiegen.
Wenn Peking solche Instrumente nun explizit gegen europäische Entscheidungen ins Feld führt, müssten die Alarmglocken endlich durchdringen – läuten tun sie schon lange. Die EU darf sich nicht auf einen kurzfristigen Kuhhandel einlassen.
Wer glaubt, so Spannungen entschärfen zu können, lädt zur nächsten Erpressung ein. Und ob Peking überhaupt ein Partner sein will, steht mit der Vergabe von Ausfuhrlizenzen nun täglich auf dem Prüfstand.
Engagement mit China braucht Resilienz und Selbstbehauptung
Die Aufgaben für Berlin und Brüssel sind klar: erstens Schadenkontrolle in Peking und dann womöglich der Versuch, unter neuen Rahmenbedingungen eine Basis für zielgerichtete Zusammenarbeit mit weniger Vertrauen zu schaffen.
Zweitens muss Europa mit der G7 und anderen ausgewählten Partnern dann Marktzugänge bei strategischen Produkten stärker an Bedingungen wie Vertrauenswürdigkeit von Unternehmen, einheimische Wertschöpfung und Nachhaltigkeit knüpfen. Unternehmen und Politik müssen kritische Abhängigkeiten in geschützten Formaten gemeinsam identifizieren und durch globale strategische Partnerschaften sowie Vorratshaltung abmildern.
Engagement mit China braucht Resilienz und Selbstbehauptung in einer neuen Phase der Globalisierung. Wer meint, die Handels- und Investitionsbeziehungen mit China könnten durch einen alten Vertrag stabilisiert oder durch ein Einknicken gegenüber Zwang verbessert werden, klammert sich an Illusionen.
Europas wirtschaftliche Offenheit muss verteidigt und abgesichert werden. Nicht mit Symbolpolitik – sondern mit klaren Prinzipien, neuen Partnern und einem langen Atem.
Der Autor: Mikko Huotari ist der Direktor des Mercator Institute for China Studies (Merics). 2021 hatte die chinesische Regierung Merics und weitere europäische Institutionen als Vergeltung für EU-Sanktionen abgestraft. Seitdem durften Mitarbeiter von Merics nicht mehr in die Volksrepublik reisen.
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