Gastkommentar: Europa bleibt in wachsendem Welthandel wichtig
Krisen und Konflikte beherrschen die Welt. Die Geopolitik beeinträchtigt die Interessen der Wirtschaft. Doch wie sehr leidet der Welthandel?
Lassen Sie uns einen Rückblick wagen. Die 1990er-Jahre begannen mit einem starken Wachstum des Außenhandels, ausgelöst durch die Internationalisierung der Produktion und den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas. Es herrschte Konsens darüber, dass die Globalisierung entscheidend für den Wohlstand ist und hilft, die Armut zu beseitigen. Doch mit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 änderte sich das.
Der Zusammenbruch des globalen Finanzsystems, verursacht durch laxe Kreditvergabestandards US-amerikanischer Finanzinstitute, traf die Weltwirtschaft hart. Die Globalisierung drohte rückabgewickelt zu werden. Stattdessen blickte die westliche Welt – vor allem die USA – auf Unternehmen und Arbeitnehmer, die durch die Konkurrenz aus China und andere Billiglohnländer benachteiligt wurden.
Schwellenländer verfolgen eigene Interessen
Unter dem Eindruck, dass die heimischen Industrien übervorteilt wurden, wandte sich die westliche Öffentlichkeit gegen die Handelsliberalisierung. Gleichzeitig äußerten die Schwellenländer – vor allem in Asien und Lateinamerika – Unzufriedenheit darüber, dass sie bei Gesprächen der Welthandelsorganisation WTO nur eine untergeordnete Rolle spielen. Und sie begannen, ihre eigenen Interessen durchzusetzen.
Als 2020 die Coronapandemie ausbrach und die Schwachstellen des internationalen Handels aufdeckte, war die Aussicht auf Fortschritte in der WTO gering. Heute ist die Abwanderung der Produktion in Billiglohnländer gestoppt und Chinas Wachstumsboom vorbei.
Auch die Abkühlung der Weltwirtschaft hat den Expansionsdrang der Unternehmen ins Ausland gedämpft. Und in den USA hat der neu gewählte Präsident Donald Trump hohe und weitreichende Schutzzölle angekündigt, die einen großen Handelskrieg auslösen könnten.
Welthandel nimmt trotz allem zu
Trotz der beschriebenen Rückschläge hat der Welthandel weiter zugenommen. Um diesen Trend nicht zu gefährden, muss denjenigen gesellschaftlichen Gruppen, die durch den internationalen Wettbewerb benachteiligt werden, mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Länder mit starkem Wirtschaftswachstum werden auch zu großen Handelsnationen aufsteigen. Das kürzlich geschlossene Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die jüngsten UN-Statistiken zeigen, dass Europa Marktanteile auf dem globalen Exportmarkt gewinnt. Seine Position als weltweit größte Exportregion erobert es von Asien zurück. Es gibt also durchaus Anlass zu verhaltenem Optimismus, was die Zukunft des internationalen Handels und Europas Position auf den globalen Märkten angeht.