Gastkommentar – Homo oeconomicus: Der Staat genehmigt sich selbst Ausnahmen von den strengen Klimaregeln für private Gebäude

Ulrich Kriese ist Sprecher für Bau- und Siedlungspolitik des Naturschutzbunds (Nabu) und Mitbegründer der Reforminitiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.
Von privaten Hausbesitzern verlangen Bundesregierung und EU, jetzt zackig die bau- und energiepolitischen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte wettzumachen: Fast alle Gebäude sollen in gut 20 Jahren klimaneutral sein. Dafür will die Ampel-Koalition strikte Auflagen für Heizungsanlagen beschließen und von der EU kommen ambitionierte Vorgaben zur Gebäudeenergieeffizienz.
Der Einbau neuer Gas- und Ölheizungen soll ab 1. Januar 2024 faktisch verboten sein. Wohngebäude sollen spätestens 2030 und Nichtwohngebäude schon 2027 mindestens die Effizienzklasse E erreicht haben, jeweils drei Jahre später Effizienzklasse D. Eine Solardachpflicht ist in Vorbereitung.
All das bedeutet, dass fast die Hälfte der Wohnhäuser in Deutschland bis Ende 2029 grundsaniert werden müsste. Wie realistisch das ist, angesichts von Handwerkermangel, fehlendem Material und ausufernden Kosten, ist eine Frage von vielen. Auf Eigentümer kommen beachtliche Investitionen zu, ein deutlicher Anstieg der Mieten dürfte unvermeidbar sein.
Staatliche Fördermittel können nur bedingt Abhilfe schaffen. Auflagenverstöße könnten schon bald Verkaufs- und Vermietungsverbote zur Folge haben. Bei privaten Immobilien gilt offenkundig das Credo: Für die Rettung des Planeten ist kein Opfer zu groß.
Ganz anders das Credo bei öffentlichen Gebäuden: Die vom Bundeskabinett am 19. April beschlossene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes sieht vor, dass der Staat als Immobilienbesitzer die Anforderungen an die Heiztechnik nicht unbedingt erfüllen muss. Der Gebäudepark der Bundeswehr wäre von den Vorschriften sogar ganz befreit. Und gemäß dem Entwurf des Energieeffizienzgesetzes müssten öffentliche Einrichtungen pro Jahr lediglich zwei Prozent Energie einsparen. Selbst davon wären die Streitkräfte gänzlich ausgenommen, „um die sicherheits- und verteidigungsrelevanten Belange (…) nicht zu gefährden.“
Angesichts dessen, was der Staat den privaten Haushalten und Unternehmen abverlangen möchte, sollte man von ihm erwarten können, dass er in seiner Rolle als Eigentümer, Bauherr und Besteller, mit gutem Beispiel vorangeht. Dort führt er die Regie, dort kann er für alle sichtbar unter Beweis stellen, dass seine klimapolitischen Vorgaben tatsächlich mit vertretbarem Aufwand umsetzbar sind. Wenn erkennbar wird, dass Bund, Ländern und Kommunen die Umsetzung der Vorgaben in ihren eigenen, unmittelbaren Wirkungsbereichen gelingt, könnte die Klimaschutzpolitik insgesamt, bis in die Verästelungen des Alltags hinein, auch zu einem von einer breiten Mehrheit getragenen, gesellschaftlichen Projekt werden.
Wenn dagegen, wie bisher vorgesehen, für öffentliche Stellen und Gebäude weniger strenge oder sogar im Fall der Streitkräfte keinerlei Auflagen gelten, darf sich die Politik nicht über mangelnden Zuspruch wundern.





