Gastkommentar – Homo oeconomicus: Deutschland muss sich mit China arrangieren

Die Weltwirtschaft befindet sich in einer Rezession. Ihr Wachstumsantrieb in Europa und Asien gibt nach. Die US-Wirtschaft hingegen läuft auf Hochtouren, und ein überraschend starker Arbeitsmarkt treibt das Wachstum in ganz Nordamerika an. Es bleibt abzuwarten, ob diese Sonderkonjunktur Bestand haben wird.
Europas Wachstumsantrieb Deutschland kämpft mit einer schwierigen Wirtschaftslage, sinkender Industrieproduktion und angespannten Staatsfinanzen. China hat seine eigenen Probleme mit einer schwachen Binnennachfrage und einem angeschlagenen Immobiliensektor. Im Gegensatz zu den USA haben sowohl China als auch Deutschland mit einem ungünstigen demografischen Wandel zu kämpfen, und die Verbraucher schränken ihre Ausgaben ein.
Die jeweiligen Wirtschaftszentren China und Deutschland schneiden unterdurchschnittlich ab. Die deutsche Wirtschaft ist stark exportorientiert, und China ist ihr wichtigster Handelspartner. Das bedeutet, dass die schwache Nachfrage aus China nach deutschen Waren das Wachstum in ganz Europa beeinträchtigt.
China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und ein entscheidendes Glied der globalen Wertschöpfungsketten. Durch seine Größe beeinflusst das Land die globalen Rohstoffpreise.
So importiert China mehr als 70 Prozent der weltweit gehandelten Eisenerze und ist auch bei Aluminium und Kupfer der größte Importeur. Angesichts der zunehmend autoritären Führung Chinas sieht die Bundesregierung in der Abhängigkeit von China ein Sicherheitsrisiko und hat deshalb eine neue China-Strategie entwickelt.
China nicht abweisen
Dazu gehören verstärkte Importe von wichtigen Rohstoffen aus anderen Ländern. Gleichzeitig erkennt die deutsche Regierung klar den Wert eines fortgesetzten Handels mit China an – allerdings zu gleichberechtigteren Bedingungen.

China ist bei einigen Spitzentechnologien führend und ein Konkurrent auf den globalen Märkten. Die Elektrifizierung in China schreitet in rasantem Tempo voran. Der deutsche und der europäische Automobilsektor stehen unter starkem Druck, da sich die Automobilindustrie zunehmend auf China konzentriert.
Diesem Wettbewerb mit Wirtschaftsnationalismus und Industriepolitik zu begegnen ist keine langfristig erfolgversprechende Strategie. Vielmehr besteht die Gefahr, dass dadurch die Transformation behindert und das Erreichen der globalen Klimaziele gefährdet wird. Vielleicht ergeben sich daraus ja neue Anreize, die Zusammenarbeit auf der Basis gemeinsamer Interessen und Abhängigkeiten zwischen den beiden Parteien auszubauen.

Trotz verständlicher geopolitischer Bedenken wäre die deutsche Regierung gut beraten, sich auf die herrschende Realität einzustellen und China nicht abzuweisen.





