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Gastkommentar – Homo oeconomicusDie deutsche Politik vertreibt den Nachwuchs an den Universitäten

Deutschen Universitäten wird von der Regierung eine untaugliche und beschäftigtenfeindliche Personalpolitik aufgezwungen, kritisiert Jens Beckert. Dabei gibt es Alternativen. 03.07.2023 - 04:28 Uhr
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Wer forschen will, muss in Deutschland Gelder bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der EU, Ministerien oder privaten Stiftungen einwerben.

Foto: imago images/Rupert Oberhäuser

Kennen Sie Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nach festgelegter Zeit entlassen, ganz egal, wie gut sie sind? Nicht weil es schlecht läuft im Betrieb, sondern weil jetzt mal andere ran sollen. Nein? Dann sollten Sie sich mal an Ihrer Universität vor Ort umhören.

Dort können Sie leicht Beispiele für dieses originelle Modell der Personalplanung finden. An den Universitäten wird es sogar gleich beim wichtigsten und teuersten Personal praktiziert, den WissenschaftlerInnen. Die sind für die Erstellung des Kernprodukts verantwortlich: neues Wissen.

Am Erfolg des Modells liegt es nicht, dass es sich hartnäckig hält. Es sei denn, die Erzeugung von Frust, Zukunftsängsten und Demotivation wäre ein Erfolg. Aber es sind auch nicht die Personalabteilungen der Universitäten, die sich das so ausgedacht haben, sondern der Deutsche Bundestag. Der hat nämlich das Wissenschaftszeitvertragsgesetz beschlossen, das ihnen diese Vorgabe macht. Dieses Gesetz soll jetzt reformiert werden. Abzusehen ist, dass sich nichts Grundlegendes an dem Modell bessern wird.

Dabei gibt es durchaus Alternativen, wie ein Blick über den Geltungsbereich des Gesetzes hinaus offenbart. Amerikanische Universitäten stellen junge WissenschaftlerInnen nach der Promotion auf befristeten Assistenzprofessuren ein, die nach erfolgreicher Überprüfung nach einigen Jahren in unbefristete Stellen umgewandelt werden können (Tenure-Track-Professuren). Wer gut ist, bleibt, wer die Latte reißt, muss gehen. In Deutschland dagegen muss gehen, wessen Vertrag ausläuft und nicht verlängert wird.

Tenure-Track-Professuren als Standard würden das altehrwürdige Lehrstuhlprinzip der deutschen Universität infrage stellen. Das wäre nicht beliebt bei den Professoren und würde viele weitere Veränderungen nötig machen.

Forscher an deutschen Universitäten müssen sich selbst um Gelder kümmern

Denn deutsche Universitäten haben das originelle Finanzierungsmodell, dass sich ProfessorInnen ihre Arbeitsmittel selbst von außen besorgen müssen. Der Arbeitgeber stellt kaum noch eine Grundausstattung zur Verfügung. Wer forschen will, muss Gelder bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der EU, Ministerien oder privaten Stiftungen einwerben. Das sind dann aber Projektmittel, mit denen die eingestellten ForscherInnen nur für ein paar Jahre bezahlt werden können.

Jens Beckert ist Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung.

Foto: David Ausserhofer
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Wollte man dies ändern, müssten diese befristeten Projektmittel in den Kernhaushalt der Universitäten übergehen. Auch das ließe sich von den USA lernen. In Deutschland scheitert ein solches Vorgehen unter anderem an vorgeblich klammen Länderkassen und dem Föderalismus.

Solange dies so bleibt, bleibt es bei Frust und Abwanderung beim Nachwuchs. Das Personal verlässt entweder ganz die Wissenschaft oder zieht in andere Länder, die sich für weniger beschäftigtenfeindliche Modelle der Personalpolitik entschieden haben.

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