Gastkommentar – Homo oeconomicus: Die Politik lernt nicht – Sparpolitik ist eine gescheiterte Therapie

Christian Lindner hatte in der Vergangenheit seine restriktive Haushaltspolitik nicht nur mit der Einhaltung der Schuldenbremse, sondern auch mit der hohen Inflation begründet.
Sparen ist das Mittel der Wahl, um die Staatsschuldenquote zu senken, also die Bruttoschulden des Staates im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Deutschlands Finanzminister Christian Lindner (FDP) wird nicht müde, das zu betonen.
Auch stark im öffentlichen Diskurs vertretene Ökonomen wie Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer fordern, dass die Regierungen Deutschlands und anderer Euro-Länder die Ausgaben reduzieren sollten. Angesichts gestiegener staatlicher Finanzierungskosten im aktuellen Umfeld höherer Zinsen sei Sparen das Gebot der Stunde, um die Schuldenquoten langfristig zu senken.
Das Problem ist, dass die empirische Evidenz Lindner und Krämer widerspricht: Sparpolitik führt in den meisten Situationen nicht zu einer Reduktion der Schuldenquote. In Wirtschaftsabschwüngen führen Budgetkonsolidierungen sogar zu einem weiteren Anstieg der Staatsschuldenquote, weil sie das Wirtschaftswachstum stärker einbrechen lassen, wie etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Economic Outlook von April festgestellt hat.
Die südeuropäischen Staaten Griechenland, Portugal, Spanien, Italien setzten deutlich größere Sparpakete um als Deutschland und andere Nordländer. Doch weil Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen die Wirtschaftsleistung einbrechen ließen, stiegen die Staatsschuldenquoten der Sparmeister weiter an.
Mit dem Schwenk zu einer exzessiven, länderübergreifenden Sparpolitik während der Euro-Krise haben die Länder sich nur selbst geschadet. Schon in den Jahren 2010 und 2011 lagen deutsche Politiker, angeführt vom damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), fundamental falsch, als sie behaupteten, Sparpolitik werde die Schuldensituation in der Euro-Zone erheblich verbessern.
Mangel an Lernfähigkeit
Die Sparpolitik vertiefte den Wirtschaftsabschwung und zog massive politische Folgeprobleme wie den Aufschwung populistischer Parteien nach sich. Es zeugt entsprechend von einem Mangel an Lernfähigkeit, wenige Jahre nach dem Scheitern der Sparpolitik die gleiche Therapie für das gleiche Problem wieder verordnen zu wollen.

Philipp Heimberger ist Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).
Der IWF kam erst vor Kurzem auf Basis einer umfassenden Analyse von Daten für 17 entwickelte Volkswirtschaften – darunter Deutschland – für die vergangenen 40 Jahre zu dem Schluss: „Im Durchschnitt führen Budgetkonsolidierungen nicht zu einer Verringerung der Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.“
Budgetkonsolidierung verlangsame das Wirtschaftswachstum, Konsolidierungen hätten deshalb in der Regel vernachlässigbare Auswirkungen auf die Schuldenquoten. Nur in einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld mit vorteilhaften Begleitumständen führe Sparpolitik zu den erwünschten Ergebnissen.






Wir haben aber derzeit ganz sicher kein gutes wirtschaftliches Umfeld in Europa. Deutschland steckt in einer Rezession und zählte zuletzt zu den Wachstumsschlusslichtern der Euro-Zone. Das ist nicht die Zeit für Sparpolitik.
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