Gastkommentar – Homo oeconomicus: Erst Reformen, dann Geld – So sollte Deutschlands Angebot an die EU lauten

Die EU, die sich 2000 vorgenommen hatte, bis 2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt“ zu werden, hat dieses Ziel verfehlt, meint Daniel Stelter.
Im Bundestagswahlkampf spielte weder der beklagenswerte Zustand der Europäischen Union eine große Rolle noch die Überlegungen der Parteien dazu, welche Rolle Deutschland künftig in der EU spielen sollte. Alle Parteien, mit Ausnahme der AfD, betonten in ihren Wahlprogrammen die europäische Solidarität, gerade mit Blick auf die Überwindung der Coronafolgen und den Kampf gegen den Klimawandel.
Lediglich beim Geld gab es eine klare Trennlinie. Während FDP und Union betonten, dass es sich beim Wiederaufbaufonds keineswegs um ein dauerhaftes Instrument und damit also nicht um den Einstieg in eine Transfer- und Schuldenunion handele, machten SPD, Grüne und Linkspartei deutlich, dass sie genau dies wünschten. Mehr Transfers aus Deutschland in die EU und mehr eigene Einnahmen für Brüssel werden als konsequente nächste Schritte im europäischen Einigungsprozess gesehen.
Abgesehen davon, dass der Bundesrechnungshof bereits jetzt vor erheblichen finanziellen Risiken für Deutschland warnt, wird die entscheidende Frage nicht gestellt: Für welche Zwecke sollen eigentlich mehr Mittel an die EU überwiesen werden?
Die Europäische Union, die sich im Jahr 2000 vorgenommen hatte, bis 2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt“ zu werden, hat dieses Ziel in jeder Hinsicht verfehlt. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die Patentanmeldungen, die Anzahl an Hightech-Unternehmen, das Bildungsniveau, Weltklasse-Universitäten, Digitalisierung, Produktivitätsfortschritte – wohin man auch blickt, nirgendwo ist die EU im Weltmaßstab vorn dabei.
Zwar machen die Politiker in ihren Reden große Versprechungen, so zuletzt wieder Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Blickt man jedoch auf ihr Handeln, muss man feststellen, dass es der EU keineswegs an Geld mangelt, dass sie aber das verfügbare Geld bevorzugt für Themen ausgibt, die mit „Zukunft“ herzlich wenig zu tun haben.

Der Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „beyond the obvious“, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online.




Nur gut 87 Milliarden Euro oder acht Prozent der etwa 1,1 Billionen Euro des EU-Haushalts über sieben Jahre werden für Binnenmarkt, Innovation und Digitalisierung verwendet. Das ist nur etwa ein Viertel dessen, was in die Subventionierung der Landwirtschaft oder in Finanztransfers zugunsten ärmerer Regionen fließt. Es handelt sich bei der EU um eine gigantische Umverteilungsmaschinerie.
Wie hier zusätzliche Mittel aus Deutschland eine Besserung herbeiführen sollen, ist mehr als unklar. Es wird Zeit, dass wir anerkennen, dass die EU genauso wie Deutschland dringend grundlegende Reformen benötigt. „Erst Reformen, dann Geld“ sollte daher das Motto lauten.
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