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Homo oeconomicusDie Milliarde Steuergeld für Vattenfall hätte nicht bezahlt werden müssen

Das Schiedsverfahren um den Atomausstieg schien sich in eine sehr Richtung für die Regierung zu entwickeln. Sie hätte nicht 1,4 Milliarden Euro zahlen müssen, meint Juan Carlos Boué. 09.03.2021 - 12:14 Uhr Artikel anhören

Juan Carlos Boué ist Politikwissenschaftler und Anwalt der internationalen Anwaltskanzlei Curtis, Mallet-Prevost, Colt & Mosle in London.

Foto: Curtis

Die deutsche Regierung hat sich mit dem schwedischen Staatskonzern Vattenfall auf einen Vergleich geeinigt, um eine Klage in Höhe von bis zu sieben Milliarden Euro beizulegen. Vattenfall hatte im Rahmen des Energiecharta-Vertrags vor einem Energiecharta-Schiedsgericht Klage erhoben, da Deutschland nach der Katastrophe in Fukushima aus der Atomenergie ausstieg.

Die Regierung will nun 1,4 Milliarden Euro zahlen. Einen großen Teil dessen, was Vattenfall im Erfolgsfall hätte bekommen können. Denn die Forderungen in Investor-Staat-Schiedsverfahren sind meist stark überhöht.

Weil alle Einsprüche der Regierung gegen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts ebenso abgewiesen wurden wie Versuche, die Schiedsrichter wegen Befangenheit abzulehnen, könnte die Bereitschaft, sich nun auf einen Vergleich einzulassen, vernünftig erscheinen.

Doch die Regierung hat gehandelt, als müsse sie etwa Lösegeld zahlen, nachdem bereits klar geworden ist, dass die Geisel fliehen konnte. Denn die Auswirkungen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Fall Achmea, das die Totenglocke für bilaterale Investitionsabkommen und Schiedsverfahren innerhalb der EU geläutet hat, haben nun auch den Energiecharta-Vertrag erfasst.

Im März 2018 entschied der EuGH, dass einem Schiedsgericht nicht die Zuständigkeit für die Auslegung von EU-Recht übertragen werden darf. Denn ein Schiedsgericht ist kein Teil des EU-Gerichtssystems und daher weder verpflichtet noch dazu in der Lage, den EuGH zur Auslegung des EU-Rechts zu konsultieren.

Das Achmea-Urteil führte dazu, dass 23 EU-Mitgliedstaaten am 5. Mai 2020 ein Abkommen unterzeichneten, welches die bilateralen Investitionsverträge zwischen den EU-Mitgliedstaaten kündigte und damit die Schiedsgerichtsbarkeit als Mittel zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten innerhalb der EU ausschloss.

Antworten auf schwierige Fragen verschoben

Ganz aktuell beschloss am 1. März, vier Tage vor dem Bekanntwerden des Vergleichs mit Vattenfall, ein schwedisches Gericht, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob Achmea innergemeinschaftliche Investitionsstreitigkeiten unter dem Energiecharta-Vertrag ausschließt. Noch ominöser: Am 3. März stellte EuGH-Generalanwalt Szpunar in einem anderen Verfahren (LLC SPC Stileks gegen Moldawien) genau dies sogar fest.

Zwar sind Stellungnahmen von Generalanwälten nicht bindend. Aber die Wahrscheinlichkeit scheint nun doch groß, dass sich ein möglicher Sieg von Vattenfall als wertlos erweisen würde, da der Schiedsspruch nicht vollstreckbar wäre. Mit anderen Worten: Das Vattenfall-Schiedsverfahren schien sich für die deutsche Regierung in eine sehr gute Richtung zu entwickeln.

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Das war eine Entwicklung, die angesichts der Prominenz des Falls in der öffentlichen Debatte darüber, wie der Energiecharta-Vertrag den Klimaschutz erschwert oder sehr teuer macht, große politische Auswirkungen hätte haben können. Angesichts einer solchen Aussicht zog es die deutsche Regierung jedoch anscheinend vor, Steuergeld auszugeben, um Antworten auf die schwierigen Fragen in dieser Hinsicht in die Zukunft schieben zu können.

Mehr: Investorenklagen als Realsatire: Italienisches Staatsunternehmen klagt gegen Nigeria.

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