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Kolumne Homo oeconomicusIna Praetorius: Hausputz ist kein Hobby – Wann kommt die unbezahlte Care-Arbeit ins BIP?

Der größte Wirtschaftssektor, die unbezahlte Care-Arbeit, wird im Bruttosozialprodukt nicht berücksichtigt. Ist eine ökonomische Theorie denkbar, bei der das anders ist?Ina Praetorius 08.10.2020 - 08:08 Uhr Artikel anhören

Ina Praetorius ist evangelische Theologin und Autorin von „Wirtschaft ist Care“.

Foto: Katja Nideröst

Die einen steigen auf Berge, die anderen züchten Rosen, mein liebstes Hobby ist es, mit Ökonomieprofessoren zu diskutieren. Am 24. April 2016 habe ich zum Beispiel an einen geschrieben, der im Ökonomenranking der „NZZ“ schon länger ziemlich gut abschneidet.

Ein- oder zweimal war er der zweitwichtigste Ökonom der Schweiz, nach Ernst Fehr. Ich fragte ihn: Warum kommt der größte Wirtschaftssektor, die unbezahlte Care-Arbeit, nicht im Bruttosozialprodukt vor und auch selten im Wirtschaftsteil der Zeitung?

Anders als Ernst Fehr, der mir in vier Jahren erst einen einzigen Satz gemailt hat, ist dieser Herr Professor ein aufgeschlossener Mensch. Ich bekam also Antwort: Ja, sicher gebe es außermarktliche Tätigkeiten, schrieb er mir, und sie trügen auch zur Wertschöpfung bei.

Selbstverständlich steige die gesellschaftliche Wohlfahrt, wenn Menschen in ihrer Freizeit schlafen oder essen oder ihr Haus putzen. Das sei aber kein Grund, diese Tätigkeiten zum Gegenstandsbereich der Ökonomie zu zählen. Denn von der statistischen Erfassung zur staatlichen Kontrolle sei es nur ein kleiner Schritt, weshalb er mir die Gegenfrage stellen wolle, ob ich denn bereit sei, für meinen Mittagsschlaf Steuern zu zahlen.

Was mir an der Antwort dieses Herrn gefällt, ist ihre Aufrichtigkeit. Ich hatte zwar schon vermutet, dass Ökonomen von all dem, was sich außerhalb des Geldkreislaufs abspielt, wenig wissen (wollen), weshalb sie keinen Unterschied sehen zwischen Hausputz und Schlaf. Aber das hatte mir noch keiner so deutlich gesagt.

Arbeit ist aber Arbeit, egal, ob sie zu Hause gratis oder im Pflegeheim gegen Lohn erbracht wird, schreibt unsere Autorin.

Foto: imago/photothek

Die meisten hatten sich entweder meinen Fragen entzogen, oder sie waren peinlich berührt gewesen, womöglich weil ihnen dämmerte, dass es nicht logisch ist, auf den ersten Seiten wirtschaftswissenschaftlicher Lehrbücher die Ökonomie als Lehre von der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse zu definieren, ab Seite zwei dann aber nur über Kaufen und Verkaufen zu reden.

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Ich war deshalb froh, dass endlich ein Ökonom mir kurz und bündig erklärte, welche Annahmen er seiner Lehr- und Forschungstätigkeit zugrunde legt: Was Geld einbringt, ist Gegenstand der Wirtschaftswissenschaft, befriedigt also per Definition Bedürfnisse. Was außerhalb des Geldkreislaufs stattfindet, ist eine amorphe Masse von diversen (Nicht-)Tätigkeiten, die man sich besser nicht genauer anschaut, weil man sonst vielleicht mehr Steuern zahlen muss.

Was ist der Unterschied zwischen Schlafen und Putzen? Schlafen macht wach, Putzen macht müde. Schlafen regeneriert, Putzen ist Arbeit, die das menschliche Bedürfnis nach einer sauberen und geordneten Umgebung befriedigt. Ist eine ökonomische Theorie denkbar, die solche Unterschiede auch zwischen außermarktlichen Tätigkeiten erkennt und anerkennt? Wem käme eine solche Ökonomie zugute? Wen soll ich als Nächsten fragen?

Mehr: Wirtschaft ist Oikonomia. Und Oikonomia ist Welthaushalten. Das bedeutet, umsichtig und klug für die Welt zu sorgen, schreibt Ina Praetorius.

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