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Asia TechonomicsJapanische Gründer wollen essbare Insekten zum Welthit machen

Fleischproduktion ist ein Treiber des Klimawandels. In Japan setzen Firmen auf eine alte Tradition als potenziellen Zukunftsmarkt für Protein-Alternativen.Martin Kölling 26.01.2022 - 11:09 Uhr Artikel anhören

In der wöchentlichen Kolumne schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.

Foto: Klawe Rzeczy

Tokio. Haben Sie Lust auf Grilleneis, eingelegte Bienenlarven oder Tee aus Seidenraupen? Was in Europa wie eine Mutprobe wirken mag, entwickelt sich in Japan zu einem Markt, der sogar für Wagniskapitalfonds interessant wird: Insekten als Nahrung. Die Start-up-Investoren Anri und Samurai Incubator haben gerade in die junge Firma Morus investiert. Diese will Protein aus Seidenraupen in industriellem Maßstab herstellen.

„Probieren Sie mal“, sagt Gründer Ryo Sato in einem kleinen Sitzungsraum in Tokio und hält mir ein Tütchen mit grünem Raupenmehl entgegen. „Es schmeckt fasst ein bisschen wie grüner Matcha-Tee.“ Die Insekten, die Japan einst zum größten Seidenproduzenten der Welt gemacht haben, fressen sich vor der Verpuppung mit den Blättern des Maulbeerbaums satt.

Doch so klein die Proteinprobe bisher auch ist, so groß ist das Potenzial, das Sato erwartet. Mit der wachsenden Weltbevölkerung und dem Klimawandel stehe die Welt vor einer Proteinkrise, sagt der Jungunternehmer. Die Fleischproduktion verschlingt große Mengen an Wasser und Futter und produziert – besonders im Fall von Rindern – einen erheblichen Ausstoß von klimaschädlichen Abgasen.

Insgesamt 18 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen stammen laut den Vereinten Nationen aus der Viehzucht. „Insekten sind ein Beitrag, diese Probleme zu lösen“, sagt Gründer Sato. Er steht damit nicht allein. In Frankreich begann das Start-up Ynsect im Jahr 2020 mit dem Bau der bisher größten Mehlwurmproteinfabrik der Welt.

Und für die Vereinten Nationen ist dies nur der Anfang. Schon im Jahr 2013 hat deren Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) die Kerbtiere als eine alternative Quelle für „Lebensmittel und Futter“ gefeiert. Mehlwürmer erzeugen laut der Studie für ein Kilogramm Protein nur ein Drittel der Treibhausgasemissionen von Hühnerzucht und ein Zehntel dessen, was bei Rindern anfällt.

Know-how der Universitäten findet selten praktische Anwendung

Bei Sato entsprang die Idee der kulinarischen Weltverbesserung allerdings einer anderen Vision. „Ich möchte helfen, Japan wieder in die Spitze der innovativen Nationen zu bringen“, erklärt der Gründer. Der Absolvent der elitären Tokio-Universität gab dafür seine Karriere bei dem globalen Handelsriesen Itochu auf.

Die Geschäftsidee kam ihm dann bei seiner Arbeit als Firmenscout beim Investor Samurai Incubator. Dort sah er, dass das Know-how japanischer Universitäten selten zur praktischen Anwendung in der Wirtschaft führte. In Seidenraupen fand er eine Nische, mit der das akademische Erbe des traditionellen Seidenraupenproduzenten Japan eine Chance auf globale Vermarktung hat.

Nach langen Diskussionen überzeugte er einen der führenden Experten für die Tiere, Professor Kunihiro Shiomi von der Shinshu-Universität, gemeinsam eine möglichst effiziente Produktion für die Proteingewinnung zu entwickeln. In spätestens fünf Jahren soll die Fertigung starten, zuerst in Japan und dann in Südostasien und Europa.

Im Gegensatz zum Morus-Gründer Sato verdient Jun Nakamura schon heute Geld mit essbaren Insekten. 2017 hat der Gründer des Internetgroßhändlers RON die Marke Bugsfarm gegründet, die in ihrem Onlineshop inzwischen mehr als 200 Insektenprodukte aus Japan und aller Welt verkauft. Und wie Sato kam auch er erst über Umwege auf den Insekten-Geschmack.

Er habe früher ein Webmedium für Fitnessstudios herausgegeben, erzählt Nakamura. Unter den Bodybuildern traf er auf großes Interesse an Nahrungsergänzungsmitteln.

Bei seinen Recherchen stieß er auf Japans lange Tradition im Verspeisen von Insekten, den FAO-Bericht und die Erkenntnis, dass die Tiere schon heute für zwei Milliarden Menschen zum Speiseplan gehören. „Ich habe dann aus reiner Neugier begonnen, Produkte zu entwickeln und zu verkaufen“, sagt Nakamura – mit Erfolg.

Japan bietet mehr Möglichkeiten für Experimente

Nun sieht er Japan in einer guten Position, sich gegen die wachsende globale Konkurrenz zu behaupten. In Europa könnten wegen strenger Vorschriften nur ein halbes Dutzend Insektenarten verarbeitet werden, in Japan dagegen viele, zum Teil mit langer Tradition. „Und wir können viele neue Dinge ausprobieren, weil hier die Vorschriften lockerer sind“, sagt Nakamura. Der am meisten geklickte Beitrag auf seinem Kochkanal auf Youtube sind Gokiburi-Tempura, im Teigmantel frittierte Kakerlaken.

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Bei der Eroberung der Weltmärkte setzen Japans Pioniere allerdings auf Geduld. Er glaube, dass der Markt in den kommenden 20 Jahren stark wachsen werde, sagt Start-up-Gründer Sato. „Denn aus Klimaschutzgründen müssen wir unsere Proteinquellen von der Fleischproduktion lösen.“

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