Dürre: Der Wassermangel in Europa ist ein Desaster mit Ansage


Laut dem Umweltministerium sind 2023 bereits 40 von 96 Regionen wegen Dürre unter Beobachtung oder im Alarmzustand.
Ende März besannen sich verzweifelte Katholiken im südfranzösischen Perpignan auf ein seit der Revolution vergessenes Ritual: eine Bittprozession um Wasser mit der Statue des Heiligen Galderic. Doch der blieb untätig.
Nicht nur Südfrankreich belastet die Trockenheit. Mehr als ein Viertel des EU-Territoriums ist laut der Europäischen Dürrebeobachtungsstelle (European Drought Observatory – EDO) von Wassermangel betroffen.
Der gefährdet die Landwirtschaft, den Energiesektor und die Wasserstraßen. Gewaltsame Verteilungskämpfe beginnen, wie etwa in Frankreich um Wasserreservoirs. Die Dürre wird ein Krisenfaktor.
Beispiel Spanien: Wegen eines dramatischen Mangels an Niederschlägen im Frühjahr gelten bereits jetzt laut dem Landwirte-Verband COAG mehr als 3,5 Millionen Hektar Getreide als verloren. Das ist mehr als die Fläche von Nordrhein-Westfalen.
In Katalonien vertrocknen alte Obstplantagen. Westeuropas größtes Feuchtgebiet Doñana ist bedroht, weil Erdbeerbauern ihm das Wasser abgraben. An der Mittelmeerküste müssten eigentlich die Hotels ihre Pools stilllegen. Doch noch redet niemand über die durch die Dürre entstehenden Probleme, aus Angst, Spaniens wichtigsten Exportsektor zu gefährden.
Auch Energiebranche leidet unter Wassermangel
Beispiel Frankreich: Der nationale Wetterdienst Météo France stellt fest, dass „seit dem Sommer 2021 Frankreich eine besorgniserregende Trockenheit erleidet, die sich Anfang 2023 fortgesetzt hat.“
Laut dem Umweltministerium sind 2023 bereits 40 (von 96) Departements, Teile des französischen Staatsaufbaus, wegen Dürre unter Beobachtung oder im Alarmzustand. Während sich für den Norden noch keine sichere Prognose stellen lasse, seien in Südfrankreich Ernteausfälle sicher.
In den kommenden 30 Jahren erwartet Météo France, dass das in den Wasserläufen verfügbare Wasser im Sommer um 20 bis 60 Prozent abnehmen wird. Unter den Folgen leidet nicht nur die Land-, sondern auch die Energiewirtschaft: Frankreichs Atommeiler müssen häufiger abgeschaltet werden, weil es an Kühlwasser mangelt. In zahlreichen Kommunen wird das Wasser rationiert.
Beispiel Deutschland: Der Hydrologe Dietmar Mehl macht darauf aufmerksam, dass „große Teile Brandenburgs, auch Teile von Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und von Sachsen heute unter extremen Bedingungen leiden: Sie haben ein Minus in der klimatischen Wasserbilanz, sind streng genommen eigentlich aride Gebiete.“ Natürlich könne es da „relevante Produktionsausfälle geben.“
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Deutschland ist eines der Länder mit dem höchsten Verlust an Wasserressourcen weltweit. Die Minderung der langfristig verfügbaren Mengen beträgt laut einer Nasa-Studie jährlich 2,5 Kubikkilometer, das ist ein Zwanzigstel des Bodensees.
Keine belastbaren Zahlen für Wasserverbrauch
Erstaunlich ist, dass es keine belastbaren Zahlen für den Wasserverbrauch gibt. Die Entnahmen der Energiewirtschaft – mit fast der Hälfte ist sie Konsumentin Nummer eins –, der Industrie und der Haushalte werden erfasst.
Doch bei der Landwirtschaft „fehlen die Informationen über die tatsächlichen Entnahmen“, wie das Bundesumweltministerium auf Anfrage bestätigt. Das solle die neue Wasserstrategie ändern – für deren Umsetzung es laut Umweltministerium allerdings noch keine konkrete Planung gebe. In den allermeisten Fällen müssen Landwirte keine Gebühren zahlen, gibt es keine Kontrollen. Dabei nimmt auch in Deutschland die Bewässerung zu.

Handelsblatt-Autor Thomas Hanke analysiert in der Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt.
Da es nicht mehr um Episoden von Trockenheit geht, sondern um endemische Probleme, müssen die EU-Länder reagieren. Aber wie?
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Das Grundwasser ist vielerorts bereits erschöpft; die Entsalzung von Meerwasser ist energieaufwendig, zudem muss die verbleibende konzentrierte Lake wieder eingeleitet werden und gefährdet die Umwelt; der Sinn von Wasserspeichern erschöpft sich, wenn es nicht mehr regnet.


Als einzige Lösung bleibt eine marktwirtschaftliche, über den Preis. Versorger und Landwirte werden es sicher nicht einfach hinnehmen, wenn sie künftig das knappe Gut wenigstens annähernd seinem Wert entsprechend bezahlen müssen. Doch die Alternative ist keine gute: Eine strikte Bewirtschaftung mit Lieferstopps, wenn eine Region auf dem Trockenen sitzt.
Mehr: Dürresommer und Mikroplastik – Wie die Regierung das Wasser in Deutschland schützen will
Erstpublikation: 26.04.2023, 11:08 Uhr.





