Globale Trends: Der Klimawandel bestimmt immer mehr die Stadtplanung
Düsseldorf. Hitzewellen und Überschwemmungen haben in diesem Sommer erneut Nord- und Mitteleuropa getroffen. Die Folgen des Klimawandels betreffen auch die Städte, die daher bei der Bebauung Anpassungen vornehmen müssen: mehr innerstädtisches Grün schaffen, um die Temperaturen zu senken, und mehr Freiflächen für das Versickern von Wasser vorhalten.
Beides sind Ziele des Mitte August in Kraft getretenen EU-Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur. Es regelt unter anderem, dass bis 2030 „kein Nettoverlust an der nationalen Gesamtfläche städtischer Grünflächen“ gegenüber 2024 stattfinden darf. Ab 2031 müssen die Grünflächen in den Städten zunehmen.
Das wird oft als ein Verbot verstanden, in den Städten weiteren Boden zu versiegeln. Die EU-Kommission stellt aber auf Anfrage klar: „Es gibt kein Versiegelungsverbot.“ Denn die EU-Verordnung bietet die Möglichkeit, anrechenbare Grünfläche durch die Begrünung von Dächern oder Fassaden bestehender oder neuer Gebäude zu schaffen.
Da dies nicht überall möglich ist und künftig wohl auf immer mehr Dächern Photovoltaik-Anlagen errichtet werden, nimmt indirekt der Druck zu, Flächen nicht zu bebauen oder einen Ausgleich durch die Entsiegelung etwa von Parkplätzen zu schaffen. Wie all dies verrechnet wird, müssen die Mitgliedstaaten in nationalen Verzeichnissen bis 2026 dokumentieren.
Für die Städte, in denen viele Wohnungen fehlen, bedeutet das: Sie müssen das Bauen neu und anders denken. Berlin beispielsweise braucht bis 2040 aufgrund des starken Bevölkerungswachstums nach Angaben des Senats 272.000 neue Wohnungen. Denn allein in den vergangenen zehn Jahren sind über 300.000 Menschen zugezogen. Für Durchschnittsverdiener gibt es aktuell keinen erschwinglichen Wohnraum mehr. Das trifft Menschen in ihrer Existenz – und treibt sie in die Arme der Populisten.
Viele Interessenkonflikte
Auch deshalb hat der Senat einen Dialogprozess mit 275 Bürgern zur Nutzung der 355 Hektar – so viel wie 500 Fußballplätze – des ehemaligen Flughafens Tempelhof gestartet. Doch die Gegner jeder denkbaren Bebauung dominieren die Debatte und verhindern das mögliche Miteinander von Ökologie, Freizeitnutzung und Wohnraum – ein Vorgeschmack auf künftige Interessenkonflikte zwischen denen, die schon versorgt sind, und denen, die verzweifelt eine Wohnung suchen.
Diese Konflikte sind etwa in Budapest zu beobachten: Wie die Vizebürgermeisterin Kata Tutto sagt, ist der Mietmarkt sehr eng, die Mieten extrem hoch: „Der durchschnittliche Nettolohn beträgt 1060 Euro, die Durchschnittsmiete 700 Euro.“ Der Markt werde verzerrt durch Leerstände für Kurzfrist-Vermietungen.
Andere Großstädte verhindern solche Zustände durch einen hohen Bestand an Sozialwohnungen. Wien gilt als Vorzeigestadt für sozialen Wohnungsbau. 60 Prozent der Wiener leben in Wohnungen, die von der Stadt gefördert sind und eine verträgliche Miete ermöglichen. Wien nimmt dafür viel Geld in die Hand, pro Jahr rund 500 Millionen Euro. Das Ergebnis: Im geförderten Neubau beträgt die maximale Kaltmiete aktuell 7,14 Euro. Zum Vergleich: In Berlin wird man derzeit erst ab 13 Euro fündig.
Wien ist seit 1991 um 400.000 Einwohner gewachsen. Bodenversiegelung und Erhitzung der Innenstadt sind deshalb auch hier ein Thema. Die Stadt hält dagegen durch die intensive Begrünung von Gebäuden. Die oft befürchteten Mehrkosten halten sich sehr in Grenzen und liegen bei 20 Cent pro Quadratmeter Geschossfläche im Jahr.
Auch einige deutschen Städte haben sich Satzungen gegeben, die klimaangepasste Gestaltung zur Pflicht machen, wie der Deutsche Städtetag betont. So etwa Frankfurt am Main: Bei allen Neu- und Umbauten im Frankfurter Stadtgebiet müssen Bäume auf Freiflächen gepflanzt werden, versiegelte Stellplätze etwa durch Rasengittersteine verhindert werden. Dächer und Fassaden müssen umfassend begrünt werden. Lösungen sind also möglich, aber dafür muss die Politik das Thema mit Vorrang behandeln.