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Globale TrendsGB News gibt den Briten eine Kostprobe von „Trump Country“

Der britische Nachrichtensender versucht wie Fox News in den USA, die politische Debatte im Königreich nach rechts zu steuern. Besonders die Zeit nach der Wahl wird gefährlich.Torsten Riecke 21.02.2024 - 11:59 Uhr
Der neue Nachrichtenkanal lenkt die öffentliche Debatte wie etwa beim Auftritt Rishi Sunaks auf rechte Themen wie Einwanderung. Foto: via REUTERS

Für den britischen Premierminister Rishi Sunak war sein Auftritt vor einer Woche bei einer Townhall-Veranstaltung des jungen Nachrichtensenders GB News alles andere als ein Heimspiel. Der Tory-Führer wehrte sich mehr schlecht als recht gegen wütende Fragen der Zuschauer zum schlechten Zustand des Gesundheitssystem NHS und zum ungelösten Problem der illegalen Einwanderung.

Als die regierenden Konservativen kurz danach bei zwei wichtigen Nachwahlen untergingen, zitierte GB News eine Umfrage, nach der die Tories ohne Sunak an der Spitze bei den kommenden Parlamentswahlen vielleicht noch eine Chance hätten.

Der vor zweieinhalb Jahren gegründete TV- und Radiokanal GB News lässt sich nicht so leicht in das bisherige Schema „rechts Tories – links Labour“ einordnen. Und das ist auch die Absicht von Paul Marshall, dem konservativen Hedgefonds-Investor und Multimillionär, und seinem Co-Investor und Gesinnungsgenossen, dem Neuseeländer Christopher Chandler.

Die beiden sind Mehrheitseigentümer von GB News und ziehen die Fäden bei dem Vorhaben, die Medienlandschaft im Königreich ähnlich aufzumischen, wie es Rupert Murdoch mit Fox News in den USA gelungen ist.

„Unser Ziel ist es, eine solide, ausgewogene Debatte zu fördern und eine Reihe von Perspektiven zu den Themen zu bieten, die jeden in Großbritannien betreffen“, beschreibt GB News sein Selbstverständnis.

Handelsblatt-International-Correspondent Torsten Riecke analysiert jede Woche in seiner Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt. Sie erreichen ihn unter riecke@handelsblatt.com. Foto: Klawe Rzeczy

Schaut man auf die Moderatoren der Nachrichtensendungen, ist es mit der Ausgewogenheit schnell vorbei: Neben dem Rechtspopulisten und Gründer der Brexit-Partei, Nigel Farage, geben sich eine Reihe von früheren und immer noch aktiven rechten Tory-Politikern das Mikrofon in die Hand. Dazu gehört auch Ex-Premier und Trump-Fan Boris Johnson, der bei der Berichterstattung über die Wahlen in Großbritannien und den USA eine „Schlüsselrolle“ spielen soll.

Parteifreunde interviewen sich gegenseitig

Die massive rechte Präsenz vor der Kamera führt nicht selten zu journalistisch fragwürdigen Methoden, die gegen das staatlich vorgeschriebene Gebot zur Überparteilichkeit für alle britischen TV-Sender verstoßen. Etwa wenn der rechte Tory-Politiker Lee Anderson die inzwischen zurückgetretene Innenministerin und Parteifreundin Suella Braverman zu ihren harschen Plänen zur Abschiebung von Asylbewerbern nach Ruanda befragt.

Zu den Moderatoren bei GB News gehört der ehemalige Brexit-Partei-Chef Nigel Farage. Foto: AP

Freunde und Mitarbeiter von Marshall weisen den Verdacht zurück, GB News verfolge einseitig eine rechte Agenda. Der 64-jährige Brexit-Anhänger wolle nur die politische Kultur der freien Meinungsäußerung vor den Angriffen der Wokeness-Bewegung schützen. Außerdem sei GB News mit seinen vier Millionen Zuschauern im Dezember 2023, verglichen mit den führenden Nachrichtenkanälen BBC, ITV und Sky News, immer noch ein Zwerg.

Dem Neuling geht es jedoch eindeutig darum, die Themen im öffentlichen Diskurs zu setzen und damit dessen Richtung zu bestimmen. „Wir stehen neun Monate vor der Wahl, in denen GB News die Debatte nach rechts lenken will“, mutmaßt Medienwissenschaftler Steven Barnett von der University of Westminster.

Bei GB News gehe es nicht ums Geldverdienen. Der verlustträchtige Sender sei ganz klar ein „ideologisches Projekt von Marshall“, der zudem auch noch für die zum Verkauf stehende „Telegraph Media Group“ biete. 

Zugleich warnt der Wissenschaftler vor der Gefahr, dass der Sender ähnlich wie Fox News in den USA zum Tummelplatz von Verschwörungstheoretikern werden und damit das bislang gegenüber politischen Extremisten immune Königreich zersplittern und polarisieren könnte. Bislang hat das Mehrheitswahlrecht in Großbritannien das Aufkommen einer extremen Partei am rechten Rand verhindert.

Kampf um die Herzen der Konservativen

Das könnte sich jedoch ändern, wenn die regierenden Konservativen wie von den Meinungsforschern vorausgesagt die kommende Parlamentswahl haushoch verlieren sollten und danach ein offener Machtkampf um den künftigen Kurs der Tories ausbricht. In diesem Fall käme es vor allem darauf an, die Mitglieder der Konservativen zu gewinnen – und von denen schaltet nach einer neuen Umfrage bereits die Hälfte regelmäßig GB News ein.

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Die Gefahr ist, dass sich in Großbritannien ähnlich wie in Amerika mediale Echokammern in politischen Parallelwelten bilden, die ihre eigenen, „alternativen“ Fakten berichten. Im Oktober 2022 durfte die amerikanische Verschwörungsaktivistin Naomi Wolf die Corona-Impfungen auf GB News unwidersprochen mit einem „Massenmord“ vergleichen. Der Sender handelte sich dafür eine Rüge von der Medienaufsicht Ofcom ein.

Zwölf weitere Ofcom-Untersuchungen gegen GB News laufen noch, und am Montag kam eine weitere hinzu: Nach 500 Beschwerden untersucht die Aufsichtsbehörde, ob der rechte Sender auch bei seinem Townhall-Talk mit Premier Sunak gegen die Verpflichtung zur Überparteilichkeit verstoßen hat.

Mehr: Telegraph-Übernahme wird für britische Regierung zur Haltungsfrage

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