Asia Techonomics: In Japan droht Gefängnis für Handynutzung auf dem Fahrrad

Das japanische Parlament hat ein neues Feindbild im Straßenverkehr ausgemacht: die Nutzung von Smartphones auf dem Fahrrad. Am 1. November trat ein Gesetz in Kraft, das Radfahren mit dem Handy in der Hand bestraft.
Zum Vergleich: In Deutschland droht dem radelnden Handynutzer ein Bußgeld von gerade einmal 55 Euro. In Japan sind es bis zu 100.000 Yen (rund 600 Euro) Strafe oder sechs Monate Haft.
Verursacht der Handy-Radler einen Unfall, steigt die Strafe auf bis zu 300.000 Yen oder zwölf Monate Gefängnis. Noch härter bestraft wird das Radfahren unter Alkoholeinfluss – mit bis zu drei Jahren Gefängnis.
Auch eine Handyhalterung am Lenker schützt neuerdings grundsätzlich nicht mehr vor Strafe, wie die Regierung im Internet mitteilte.
Nur wenn der Drahtesel steht, dürfen Radfahrerinnen und Radfahrer künftig noch ein Handy benutzen, wenn sie garantiert straffrei bleiben wollen. Eine Grauzone ist, wie die Nutzung eines Smartphones als Navigationsgeräte bewertet wird.
Wer länger als zwei Sekunden auf das Display in der Lenkerhalterung schaut, macht sich laut Medienberichten ebenfalls strafbar. Bis zu zwei Sekunden sind demnach erlaubt, wobei die Anwendung des Gesetzes von Region zu Region unterschiedlich sein kann.
Steigende Unfallzahlen rufen den Gesetzgeber auf den Plan
Der Grund für die verschärften Regeln: Die Zahl der Verkehrsunfälle, an denen Fahrräder beteiligt sind, habe „in den letzten Jahren weiter zugenommen“, teilt die Regierung mit. Das widerspricht dem offiziellen Ziel, Unfälle auf null zu senken.

Nach Jahren des Rückgangs ist die Zahl der Unfälle mit Radfahrern als Hauptverursacher zwischen 2020 und 2023 wieder angestiegen, um 6,9 Prozent auf 72.339 Fälle. Das ist immer noch deutlich unter dem Wert von 2019. Aber die Zahl von Unfällen mit Handy-Radlern nimmt schneller zu.
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Das wollte die Regierung offenbar nicht hinnehmen. Und so wurde sie kreativ – und lernte schnell. Zunächst setzte sie noch auf die Kraft des Gebots. Am 1. April 2023 trat ein Helmgesetz in Kraft, das allerdings keine Helmpflicht vorschrieb. Stattdessen wurden die Bürger lediglich aufgefordert, sich bei Ausflügen mit dem Fahrrad nach Kräften um das Tragen eines Helms zu bemühen.
Das Gesetz zeigte nur bedingt Wirkung: Der Absatz der modischen Helme stieg kurzfristig an. Nur: Die Mehrheit kümmerte sich nicht darum, sondern fuhr weiterhin wie eh und je ohne Helm, oft bei Rot und gern – ohne Unrechtsbewusstsein und Gefahrenempfinden – auch mal auf der falschen Straßenseite gegen die Fahrtrichtung der Autos.
Elektroräder und Smartphones: eine gefährliche Kombination
Die Verkehrssicherheitsexperten folgerten, dass es nach Jahrzehnten des Laissez-faire wohl strengerer Regeln bedürfe, um die Fahrradfahrer umzuerziehen. So wird jetzt – wie beim Autoverkehr – klar zwischen geringfügigen Verkehrsverstößen und strafrechtlich relevanten Missetaten unterschieden.
Für 115 Vergehen wie das Ignorieren einer roten Ampel werden nun zwischen 5000 und 12.000 Yen fällig. Wer öfter gegen die Regeln verstößt, muss zusätzlich zum Verkehrsunterricht.
Beim Radfahren mit Handynutzung oder unter Alkoholeinfluss reichte das dem Gesetzgeber offenbar nicht.
In gewisser Weise ist das verständlich: In Japan sind schwere Elektrofahrräder schon seit über 20 Jahren weit verbreitet, und zwar in Form der sogenannten „Mama-charis“. Das sind einfache Räder mit tiefem Einstieg, Körben und/oder Kindersitzen, die gern von Müttern genutzt werden.
Zudem ist das Radfahren in Wohngebieten meist auch auf Gehwegen und in Einbahnstraßen auch in Gegenrichtung erlaubt. Dementsprechend scheinen sich viele Zweiradfahrer nicht als Gefahr wahrzunehmen.


Dabei drohen bei Zusammenstößen mit Fußgängern und anderen Radfahrern schwere Verletzungen, denn dank elektrischer Motorunterstützung können auch ältere Personen recht schnell werden. Eine verminderte Aufmerksamkeit durch Handynutzung oder Trunkenheit ist daher kein Kavaliersdelikt mehr.
Nun muss sich zeigen, ob die neuen Regeln bei den Bürgern ankommen. Im Autoverkehr hat es funktioniert. Kurz nachdem 2002 drakonische Strafen für Trunkenheit am Steuer eingeführt worden waren, sank die Zahl der Toten bei Unfällen mit Alkoholeinfluss um 80 Prozent.





