Lars Felds: Warum das Rentensystem ohne Reform nicht überlebt

Im Sommerloch diskutiert die Republik – jenseits von Zollpolitik und Eskapaden Donald Trumps – munter darüber, ob der Bundeshaushalt ab 2027 über Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen konsolidiert und ob die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) durch Leistungskürzungen, mehr Beitragszahler oder eine stärkere Steuerfinanzierung im Gleichgewicht gehalten werden soll.
Die GRV ist, wie der Name sagt, als Versicherung konzipiert. Es gilt das Äquivalenzprinzip. Die Renten der Beitragszahler bemessen sich an der Höhe und der Dauer der getätigten Beiträge. Wer viel einzahlt, erhält eine höhere Rente – so der Grundgedanke.
Dieses Prinzip ist an vielen Stellen durchbrochen – auf der Leistungsseite, etwa durch Mütterrente oder Grundrente, auf der Einnahmeseite durch die durch Steuereinnahmen finanzierten Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Hinzu kommt, dass verschiedene Personenkreise – Beamte, Selbstständige, abhängig Beschäftigte für den Teil des Einkommens, der über 96.600 Euro liegt – nicht in die GRV einzahlen.
Die Erhöhung der Rentenzahlbeträge folgt den Bruttolohnsteigerungen. Korrigiert wird dies durch einen Beitragssatzfaktor und einen Nachhaltigkeitsfaktor. Steigen die Beitragssätze zur GRV oder ändert sich das Verhältnis von Rentnerinnen und Rentnern zu Beitragszahlenden, so fallen die Steigerungen geringer aus.
Die sogenannte Haltelinie orientiert sich nicht an den Rentenzahlungen, sondern am Rentenniveau, also einer Rechengröße, welche die Rentenzahlung eines Modellrentners ins Verhältnis zu seinem letzten Einkommen setzt. Im Detail ist dies noch etwas komplizierter.
Bundeszuschuss für die Rente ist einer der größten Posten im Etat
Um die GRV im Zuge der demografischen Entwicklung im Gleichgewicht zu halten, bieten sich mehrere Ansatzpunkte. Ohne Veränderung des Versichertenkreises müssen entweder die Beitragssätze oder die Steuerzuschüsse steigen, oder Leistungen müssen gekürzt werden.
Eine Verlängerung des gesetzlichen Renteneintrittsalters reduziert die Leistungen: Wenn die durchschnittliche, fernere Lebenserwartung um ein Jahr steigt, würde nach einer gängigen Formel acht Monate länger zu arbeiten sein. Man erhielte also acht Monate keine Rente, sondern müsste weiterarbeiten.
Der Versichertenkreis kann sich durch Zuwanderung oder durch die Hinzuziehung der bisher nicht in der GRV Versicherten, also von Beamten und Selbstständigen, ausweiten, oder die Einnahmen können gesteigert werden durch eine höhere Erwerbstätigkeit in Arbeitsstunden oder die Anhebung der Bemessungsgrenze. Eingriffe ins Beamtenrecht sind rechtlich sehr heikel. Allenfalls könnten neu Verbeamtete in die GRV einbezogen werden. Zur Finanzierung der GRV im demografischen Übergang, der ab diesem Jahr ansteht, trägt dies nicht bei.
Ähnlich sieht es bei Selbstständigen aus. Der weitaus größte Teil der Selbstständigen ist entweder in berufsständischen Systemen versichert, oder das Einkommen liegt über der Bemessungsgrenze. Diese abrupt zu senken, hätte massive gerichtliche Auseinandersetzungen zur Folge. Niemand erwägt dies in der Politik – zu Recht.
Sollen das gesetzliche Renteneintrittsalter und die Beitragssätze unverändert bleiben, so müssen die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt steigen. Schon heute sind diese aber einer der größten Posten im Bundeshaushalt, der mit einer durch diese Politik zu erwartenden Steigerung noch stärker versteinern würde. Die Antwort eines Teils der Bundesregierung darauf – und es sind nicht nur die Sozialdemokraten – ist die Erhöhung der Steuerbelastung.
Vielfältige Steuervergünstigungen lassen sich streichen
Dies ist aber keine gute Idee, da diese im internationalen Vergleich bereits sehr hoch ist. Für die Belastung der Arbeitseinkünfte weist die OECD regelmäßig eine Spitzengruppe mit Belgien, Deutschland und Österreich aus. In welchem Ausmaß zu dieser Belastung die Sozialversicherungsbeiträge, so die OECD, gehören, ist umstritten, solange das Äquivalenzprinzip in den Sozialversicherungen gilt. Die Steuerbelastung der Unternehmen ist ebenfalls höher als in den meisten OECD-Staaten, wie sich an den Berechnungen des ZEW Mannheim ablesen lässt.
Bliebe die Umsatzsteuer, da andere Steuerarten zu geringe Aufkommen haben oder deren Aufkommen, wie bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer oder der (ausgesetzten) Vermögensteuer, den Ländern und nicht dem Bund zustehen. Die Umsatzsteuer belastet in erheblichem Maße ebenfalls die Arbeitseinkommen.
Wie man es dreht und wendet – an einer echten Konsolidierung des Bundeshaushalts führt kein Weg vorbei. Diese sollte vor allem auf der Ausgabenseite und dort vor allem bei Transfer- und Konsumausgaben ansetzen. Und sie kann vor den Leistungen der GRV nicht haltmachen.
Die Haltelinie ist also eine sehr schlechte Idee. Auf der Einnahmeseite ließen sich vielfältige Steuervergünstigungen streichen. Ermäßigte Umsatzsteuersätze, etwa für Speisen, oder die Agrardieselsubventionen sind also ebenfalls keine gute Idee.
Was macht die Bundesregierung? Genau.



Erstpublikation: 04.08.2025, 18:56 Uhr.






