Lars Felds Ordnungsruf: Wie die Bundesregierung die Nervosität an den Anleihemärkten treibt
In diesen Tagen sind die Finanzmärkte erneut von Sorgen geprägt. Wie so häufig in diesem Jahr geht die Nervosität von den Anleihemärkten aus. Die Renditen für Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit haben in mehreren Ländern neue Höchststände erreicht. Insbesondere Japan, die USA, das Vereinigte Königreich, Frankreich, aber auch Deutschland sind davon betroffen.
Schieben Marktbeobachter dies teilweise darauf zurück, dass Pensionsfonds der Niederlande ihr Absicherungsverhalten aufgrund einer regulatorischen Änderung anpassen, die deren Bedarf an langfristigen Absicherungen reduziert, so lassen sich die nennenswerten Anstiege für kürzere Laufzeiten, etwa zehnjährige, nicht mehr mit Sonderfaktoren erklären.
Im Fokus ist insbesondere Frankreich, das in diesem Jahr bei einer Staatsschuldenquote von 116 Prozent landen dürfte und es nicht schafft, glaubhaft zu konsolidieren und so die Schuldenquote zu reduzieren. Premierminister Bayrou scheitert an den Widerständen gegen seinen Konsolidierungsplan, und in dieser Woche stehen umfassende Proteste und Blockaden bevor.
Die Anleihemärkte interpretieren das politische Patt zu Recht als fehlenden politischen Willen, tragfähige öffentliche Finanzen anzustreben, und verlangen daher Risikoaufschläge auf die Zinsen französischer Staatsanleihen. Dieses Zinsniveau liegt mittlerweile über dem Niveau griechischer Staatsanleihen und nähert sich an das italienische Zinsniveau an.
Obwohl derzeit noch keine Ansteckungseffekte von Frankreich ausgehen, haben sich die deutschen Zinsen für Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren zuletzt wieder erhöht. Nimmt man den gesamten Verlauf des Jahres 2025 in den Blick, so zeigt sich ein kräftiger Zinssprung von fast einem Prozentpunkt für zehnjährige Anleihen des Bundes nach der Ankündigung des Schuldenpakets zur Lockerung der Schuldenbremse im März.
Auch die Renditen auf deutsche Anleihen steigen
Im Zuge der Ankündigung von US-Präsident Trump am „Liberation Day“, die Welt mit massiv erhöhten Zöllen zu belegen, erfüllte Deutschland wieder seine Funktion als sicherer Hafen für Anleger in der Welt. Das Zinsniveau ging relativ rasch auf das Ausgangsniveau vor Verabschiedung des Schuldenpakets zurück. Seit Juni dieses Jahres steigen die Zinsen für zehnjährige Anleihen des Bundes jedoch wieder an und bewegen sich in Richtung des höheren Niveaus vom März.
Hatten Protagonisten der neuen Schuldenpolitik angesichts des steigenden Euros die Reaktion der Märkte positiv als Vertrauen in einen Wachstumsschub aufgrund der expansiven Fiskalpolitik herausgestellt, so tritt nun allmählich Ernüchterung ein. Schon im März wiesen Investoren darauf hin, wie wichtig Strukturreformen für die Wirksamkeit schuldenfinanzierter Investitions- und Verteidigungsausgaben sind.
Es kommt schließlich auf die Steigerung des Potenzialwachstums an, also auf eine Verbesserung der längerfristigen Wachstumsbedingungen. Ein konjunkturelles Strohfeuer hilft nicht weiter. Genau dies diagnostizieren vier führende Wirtschaftsforschungsinstitute nun: ein höheres Wirtschaftswachstum in den Jahren 2026 und 2027 einzig aufgrund des höheren Fiskalimpulses und kalendarischer Effekte.
Zarte Pflänzchen struktureller Verbesserungen, etwa eine Entlastung der Unternehmen durch beschleunigte Abschreibungen und die Perspektive sinkender Körperschaftsteuersätze ab dem Jahr 2028, werden konterkariert durch die Steuererhöhungsdiskussion und ein Rentenpaket, das trotz seiner temporären Finanzierung aus dem Bundeshaushalt perspektivisch die Beitragssätze und damit die Arbeitskosten steigen lässt.
Der große Fehler der Bundesregierung
Hinzu kommen eine schärfere Arbeitsmarktregulierung durch das Tariftreuegesetz ohne eine Entlastung an anderer Stelle, etwa durch Wegfall des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, sowie höhere Subventionen für Unternehmen unterschiedlicher Branchen, vom Industriestrompreis und den staatlich subventionierten Netzentgelten über die Games-Branche bis zur Wiedereinführung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Speisen im Gastgewerbe oder den Agrardiesel. Für jeden scheint etwas dabei zu sein.
Die Deutsche Bundesbank hat nun festgestellt, dass der finanzpolitische Spielraum von rund 70 Milliarden Euro, der im Jahr 2025 durch das Schuldenpaket im Kernhaushalt entsteht, in Höhe von 56 Milliarden Euro für konsumtive und Transferausgaben genutzt wird. Die von Anfang an gehegten Befürchtungen bewahrheiten sich: Die Bundesregierung gibt sich ungebremst der Finanzierung von Transfers und einem weiteren Personalaufwuchs hin.
Eine Stärkung des Potenzialwachstums ist mit dieser Politik nicht erreichbar. Steuern Bund und Länder nicht gegen, droht Deutschland am Ende seine Wachstumsschwäche zu behalten und nur mit höheren Staatsschulden dazustehen.
Kein Wunder, dass die Finanzmärkte nervöser werden.
Lars Feld ist Handelsblatt-Kolumnist und Präsident des Walter-Eucken-Instituts Freiburg.