Newsletter Shift: Deutsche Drohnen sollen helfen, Lärm zu reduzieren
Was verbinden Sie für ein Geräusch mit Drohnen? Und welches Gefühl verbinden Sie mit diesem Geräusch? Wenn Sie einmal in einem Urlaub an einem idyllischen Ort plötzlich diesen Kreissäge-Light-Sound gehört haben, wissen Sie, was ich meine. Es nervt. Tierisch.
Ganz zu schweigen von dem beunruhigenden Image, das das Wort „Drohne“ im Kontext der Kriege unserer Zeit bekommen hat. Umso mehr hat mich überrascht, dass Wissenschaftler an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig erforschen, wie sich ausgerechnet mit Hilfe von Drohnen Lärm reduzieren lässt.
Der Drohnenschwarm als „akustische Kamera“
Die Idee hatten Matthias Rudolph und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Andreas Blum. Sie statten einen Schwarm von fünf Drohnen mit Mikrofonen aus, lassen ihn aufsteigen und als eine Art „akustische Kamera“ fungieren. Aus der „Lärmdifferenz“ zwischen den Messungen der verschiedenen Drohnen können sie dann Richtung und Entfernung der Lärmquelle berechnen.
Diese Methode ermöglicht es, Lärm viel besser als bisher zu orten sowie ihn präzise auf einer Karte abzubilden. Das kann zum Beispiel dabei helfen, Baustellenlärm zu beruhigen oder vor dem Bau neuer Wohnanlagen mitzuplanen, wie man sie gegen Straßen- oder Zuglärm schützt.
Quelle: Umweltbundesamt
Nicht zuletzt gibt es viele lärmintensive Arbeitsstellen in der Industrie. Auch dort kann besseres Wissen über die Lärmquellen helfen, die Ohren von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu schützen. Denn: Nach Schätzungen des Umweltbundesamts ist gut jede vierte Person tagsüber gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt.
Bislang ist es allerdings so, dass viele Arten der Kartierung von Lärm auf Modellrechnungen basieren. Vereinfacht wird so gerechnet: Hier eine dreispurige Straße, da eine Straßenbahnlinie, also müsste es an der Ecke dort ungefähr so laut sein.
Entsprechend werden auch der Lärmschutz und andere Konzepte auf diesen Modellrechnungen basierend ausgearbeitet. Präzise, reale Messungen – die finden selten statt. Hauptgrund dafür ist, dass es aufwändig und teuer ist, eine Menge Mikrofone durch die Gegend zu tragen, um eine Lärmquelle genau zu lokalisieren.
Genau das sollen die Drohnen von Rudolph und Blum nun vereinfachen. Weil die Mikrofone an Drohnen hängen, können sie schnell von einer Position zu einer anderen wechseln, um einzugrenzen, wo der Krach herkommt. Das Wissen ließe sich nutzen, Lärmschutzwände präziser zu platzieren oder schneller zu ermitteln, welcher Teil einer bestimmten Maschine in einer Fabrik besonders laut ist.
Die Drohnen machen selbst Lärm
Das klingt clever. Aber wie so oft stecken die Schwierigkeiten in den Details. Zum einen machen Drohnen selbst eine Menge Lärm. Die Ingenieure mussten also eine Software schreiben, die diesen herausfiltert. Außerdem haben sie die Drohnen mit speziellen Aufbauten ausgestattet, um die Erschütterung der Mikrofone zu verringern.
Zum anderen mussten sich die Forscher durch eine Menge technischer Vorgaben für das Projekt arbeiten. „Erst hatten wir mit kleineren Drohnen geplant, die deutlich weniger Genehmigungen brauchen“, erzählt Blum. Als dann klar wurde, dass größere Drohnen für das Transportieren der Mikrofone nötig waren, fanden sie auch dafür rechtliche Lösungen.
Das Problem mit den Förderzyklen
Warum werden Sie, liebe Leserinnen und Leser, dennoch nicht so schnell Drohnenschwärme im (Test-)Einsatz gegen den Lärm in Ihrer Nachbarschaft sehen? Das liegt auch an den Förderzyklen für Forschungsprojekte von Bundesministerien. Zwar kam das Projekt schnell in eine erste Förderlinie des Verkehrsministeriums, doch nun hängt die Weiterführung in der Schwebe.
„Es gab von den Gutachtern bei der letzten Begutachtung wichtiges Feedback, und das möchte ich nicht missen“, sagt Rudolph. Aber nun müssten er und Blum ein Jahr warten, bis sie sich wieder bewerben können. „Zweimal anstatt einmal im Jahr über Projekte zu entscheiden, das würde es uns als Forschenden schon einfacher machen“, sagt Rudolph.
Könnte diese einfache Anpassung des Förderzyklus' wirklich so viel bewirken? Welche anderen kleinen Änderungen könnten aus Ihrer Sicht viel bewirken, um den Forschungsstandort Deutschland voranzubringen? Schreiben Sie uns Ihre Meinung an newsletter@handelsblatt.com
Dieser Text ist zuerst am 7. April 2025 im Newsletter Handelsblatt Shift erschienen. Diesen und weitere Newsletter können Sie hier abonnieren.