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Rentner

Risikomischung in der Altersvorsorge ist eine kluge Alternative.

(Foto: dpa)

Chefökonom Altersvorsorge: Sichere Renten gibt es nicht

Jedes Verfahren der Rentenfinanzierung birgt spezifische Risiken. Daher ist es sinnvoll, auf mehrere Standbeine zu setzen.
09.04.2021 - 10:18 Uhr 3 Kommentare
Handelsblatt: Prof. Bert Rürup
Der Autor

Prof. Bert Rürup ist Präsident des Handelsblatt Research Institute (HRI) und Chefökonom des Handelsblatts. Er war viele Jahre Mitglied und Vorsitzender des Sachverständigenrats sowie Berater mehrerer Bundesregierungen und ausländischer Regierungen. Mehr zu seiner Arbeit und seinem Team unter research.handelsblatt.com.

Altersvorsorge steht für eine Absicherung des Langlebigkeitsrisikos, also für die Sicherstellung eines regelmäßigen Einkommens nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bis zum Tod. Dieses Vorsorgeproblem stellt sich für alle, die ihren Lebensunterhalt aus Erwerbseinkünften bestreiten, also Einkommen, die mit dem Wechsel in den Ruhestand entfallen.

Da diese Zeitspanne für den Einzelnen ungewiss ist, kann ein Individuum allein keine effiziente Altersvorsorge betreiben. Bei einem frühen Tod wurde zu viel gespart, und bei einem langen Leben droht im hohen Alter Armut, da nicht ausreichend Ersparnisse gebildet wurden.

Anders als für den Einzelnen lässt sich dieses „Langlebigkeitsrisiko“ für ein Kollektiv recht genau abschätzen, und zwar umso besser, je größer die Versichertengemeinschaft ist. Aus der Sicht eines Einzelnen ist daher jede Rentenversicherung, sei sie umlagefinanziert oder kapitalgedeckt, eine Wette gegen den eigenen Todeszeitpunkt.

Stirbt jemand kurz nach dem Renteneintritt, gehen große Teile der erworbenen Versorgungsansprüche an das Versichertenkollektiv, wird aber ein biblisches Alter erreicht, ist die Rendite der Vorsorgeanstrengungen deutlich positiv – unabhängig davon, ob die Rente kapitalgedeckt oder umlagefinanziert ist.

Umlagesysteme müssen obligatorisch sein, kapitalgedeckte Systeme können auch freiwillig sein. Freiwilligkeit hat allerdings zur Folge, dass solche Versicherungen besonders attraktiv für Menschen sind, die mit einer überdurchschnittlichen Lebenserwartung rechnen können; solche Versicherungen können daher zu Sammelbecken schlechter Versicherungsrisiken werden.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist die Frage nach den kollektiven Renditen beider Finanzierungsverfahren entscheidend. In einem Umlagesystem wie unserer gesetzlichen Rentenversicherung hängt diese Rendite im Wesentlichen von der Entwicklung der inländischen Lohnsumme ab.

Diese wird von der Lohn- und Beschäftigungsentwicklung sowie der demografischen Entwicklung bestimmt. Zudem sind staatliche Systeme stets mit „politischen Risiken“ behaftet. So gingen die meisten Reformen unseres 1957 etablierten Rentensystems mit Leistungsrücknahmen einher.

Risiken lassen sich nicht ausschließen

Die kollektive Rendite kapitalgedeckter Systeme hängt an den internationalen Kapitalmärkten. Dabei gehen höhere Renditen mit höheren Risiken einher. Sichere Staatsanleihen werfen gegenwärtig negative Renditen ab, während sich der Kurs manch spekulativer Aktie an einem Tag verdoppeln oder halbieren kann. Mit einer effizienten Portfoliostruktur lassen sich diese Risiken minimieren, aber nicht ausschließen.

In Deutschland hängt die Höhe der gesetzlichen Rente im Wesentlichen von Höhe und Dauer der gezahlten Beiträge ab. Versicherte, die 45 Jahre stets das Durchschnittseinkommen verdient haben, erhalten derzeit die „Eckrente“ in Höhe von 48 Prozent des aktuellen Durchschnittseinkommens, also gut 1500 Euro pro Monat.

Die Renten werden jährlich entsprechend der Lohnentwicklung angepasst. Da Rechtsänderungen stets möglich sind und die Lohnentwicklung der Zukunft ungewiss ist, kann niemand exakt vorhersagen, wie hoch genau eine heutige Rente in einigen Jahren sein wird.

Kapitalgedeckte Renten sind dagegen weniger abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Inland, unterliegen aber Kapitalmarktrisiken. Dennoch hätte – trotz der massiven Kurseinbrüche in den Jahren 2000, 2008 und 2020 – ein Investor, der zum Starttermin 1988 in den Dax investierte, sein Vermögen bis heute verfünfzehnfacht. Und wer damals in US-Tech-Aktien investierte, dessen Vermögen hätte sich inzwischen vervierzigfacht.

An vielen Deutschen gingen diese Kurssteigerungen jedoch vorbei. Denn die Deutschen sparen im internationalen Vergleich zwar viel, aber oft falsch. Ende des dritten Quartals 2020 besaßen die privaten Haushalte ein Geldvermögen von 6,74 Billionen Euro.

Davon waren 373 Milliarden Euro in börsennotierten Aktien des In- und Auslands angelegt und weitere 688 Milliarden Euro in Investmentfonds. Mehr als fünf Billionen Euro dagegen entfielen auf Bargeld und kaum rentierliche Bankeinlagen sowie auf Ansprüche an Versicherungen, die restriktiven Anlagevorschriften unterliegen.

Gelänge es, die Rendite des privaten Vermögens dauerhaft um nur einen Prozentpunkt zu steigern, ließe sich daraus rechnerisch für jeden Privathaushalt ein monatliches Einkommen von 135 Euro finanzieren. Die ausgeprägte Risikoaversion kostet die Deutschen mithin viel Geld.
Angesichts des schon bald einsetzenden Alterungsschubs der Bevölkerung ist absehbar, dass die umlagefinanzierte Rente einem Stresstest unterzogen wird. Ab 2025 müssen immer weniger Erwerbstätige immer mehr Rentner finanzieren.

Daher wäre es wichtig, die ergänzenden kapitalgedeckten Systeme zu stärken. So haben zahlreiche Studien gezeigt, dass Alterssicherungssysteme, die auf Umlagefinanzierung und Kapitaldeckung setzen, einseitig finanzierten Systemen überlegen sind. Der Grund: Risiken können diversifiziert werden.

Insofern war der Plan des damaligen Arbeitsministers Walter Riester grundsätzlich richtig, eine staatlich geförderte kapitalgedeckte Altersvorsorge zu etablieren, um damit Einschnitte bei der gesetzlichen Rente auszugleichen. Ein eklatanter Fehler war, dass dieses Zusatzsystem nicht – wie von Riester geplant – als Obligatorium eingeführt wurde.

Dadurch wurden viele Riester-Renten zu intransparenten und teuren Push-Produkten. Seit geraumer Zeit weiß man um die Schwächen der Riester-Rente. Die aktuelle Regierungskoalition hatte sich daher vorgenommen, dieses Produkt zu reformieren. Leider ließ sie Taten vermissen.

Börsencrashs gelassen aussitzen

Eine kluge Option wäre es, wenn eine Kapitalsammelstelle unter dem Dach einer gemeinnützigen Stiftung allen Einwohnern im Erwerbsalter kostengünstige und professionell gemanagte Vorsorgekonten anbieten würde. Diese Kapitalsammelstelle könnte die überschaubaren Vorsorgebeträge der einzelnen Sparer bündeln und so eine effiziente Risikoallokation realisieren.

Und wenn keine Mindestrendite garantiert werden muss, könnten Börsencrashs relativ gelassen ausgesessen werden. Gleichwohl sollte der Aktienanteil mit nahendem Renteneintrittsalter der einzelnen Vorsorgesparer verringert werden, da mit kürzerem Zeithorizont bis zum Ruhestand die Kompensation von Verlusten schwieriger wird.

In der nächsten Legislatur sollte sich die Politik diesem Problem stellen und solch ein transparentes Ergänzungssystem etablieren. Denn in den allermeisten Fällen kann die gesetzliche Rente nicht annähernd den in den letzten Jahren des Erwerbslebens gewohnten Lebensstandard sichern.

Dazu wären etwa 70 Prozent des Arbeitseinkommens der letzten Erwerbsjahre nötig. Davon sind die meisten Renten weit entfernt. Selbst das von der Partei „Die Linke“ propagierte Rentenniveau von 53 Prozent würde keine durchweg lebensstandardsichernden Renten gewährleisten.

Hohe Kosten und niedrige Renditen bei der kapitalgedeckten Ergänzungsvorsorge kann Deutschland sich auf Dauer nicht mehr leisten. Wer fürchtet, auf diese Weise würden Renten zum Spielball der Finanzmärkte und aus Angst vor Spekulation und Crashs einen Anstieg von Altersarmut an die Wand malt, der sollte sich Folgendes vor Augen halten: In der bald an Dynamik gewinnenden Bevölkerungsalterung droht die gesetzliche Rente zum Spielball der Haushaltspolitiker werden.

Daher ist Risikomischung in der Altersvorsorge eine kluge Alternative. Denn – entgegen anderslautenden Behauptungen – kann die Rendite im Umlageverfahren auf Dauer nicht höher sein als bei Kapitaldeckung. Dazu müsste in Deutschland trotz Bevölkerungsalterung die Wirtschaft kräftig wachsen und gleichzeitig die Quote der Vermögenseinkommen sinken. Das gibt es auf Dauer nur in ökonomischen Schlaraffenländern.

Mehr: So errechnen Sie 2021 mit Rentenpunkten die Höhe Ihrer gesetzlichen Rente

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3 Kommentare zu "Chefökonom: Altersvorsorge: Sichere Renten gibt es nicht"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • @ Rürup:
    Ein sehr interessanter und gut geschriebener Artikel. Mich würde darüber hinaus noch interessieren wie sich die Kurzarbeit auf das durchschnittliche Lohnniveau ausgewirkt hat und wie sich deshalb der Nachhaltigkeitsfaktor auf das Rentenniveau auswirkt. Müsste deshalb das Niveau nicht sinken --> und der Staat die Rentenkasse noch mehr bezuschussen?

    Wie stehen Sie zu steuerlichen Freigrenzen zum Aktiensparen? Kombiniert mit einer Abschaffung der Kapitalertragssteuer nach X Jahren? Natürlich mit Obergrenzen, damit die reichsten 1% das nicht ausnutzen können ;)


    @ Hans Müller
    Das ist schlichtweg falsch ihre Aussage, dass Beamte fast 90% ihres letzten Nettoeinkommens als Pension bekommen. Der Höchstsatz beträgt ohne Abschläge 71,75%. Wobei für jedes Jahr im vorzeitigen Ruhestand die Leistungen um 3,6 % (max. 14,4%) gekürzt wird.

    @Andre Peter
    Man könnte ihre Aussage auch anders interpretieren und zwar dass sich Deutschland mehr Demokratie als China leistet. Schließlich sind die Bundestagsabgeordnete Volksvertreter ;)
    Auf der anderen Seite stimme ich ihnen jedoch zu, dass es in der heutigen Zeit nicht sein kann dass es für den Beruf Bundestagsabgeordneter keine Berufsqualifikation bzw. Jobanforderung gibt.

  • @Herr hans mueller
    absolute Zustimmung. Die vielen Politiker - 709 Bundestagsabgeordnete erhalten fürstliche Gehälter und Pensionen, trotz ihrer meist schlechten Qualifikation - waren meist nie in der Wirtschaft beschäftigt. Deutschland leistet sich mehr Abgeordnete pro Einwohner als China!

    @Rürup:
    Ein staatlicher Fonds wie in vielen anderen Ländern wäre sinnvoll. Er sollte weltweit und auch in Deutsche Unternehmen (nicht nur Aktien) investieren dürfen.

    Zu einer guten Altersvorsorge gehört auch die Reduzierung der Kosten durch ein eigenes, werthaltiges Eigenheim/Eigentumswohnung (mit geringen Renovierungskosten) und günstigen Nebenkosten.

    Weiterhin ist das Thema Krankenversicherung nicht gelöst: Private Krankenversicherte werden regelrecht abgezockt - von den Versicherungen - wie von den Ärzten.

  • da hat der Chefökonom recht. Allerdings gibt es Pensionen, die der Staat seinen Hilfsdienern zahlt, die sicher sind. Da wird nichts gekürzt, auch wenn die Konjunktur wie damals in den Keller ging. Da erfolgen Erhöhungen
    trotz Corona, während die Rentner keine Erhöhungen bekommen, obwohl die Inflation bei 1,7 % liegt und damit die Erhöhungen von 3% im Westen um über 50% hinfällig sind.
    Der Staat sorgt dafür, dass Geldanlagemöglichkeiten vernichtet werden, nur um keine Zinsen zahlen zu muessen, ansonsten wäre der Staat pleite. Warum muessen die Beamten und Politiker nicht selbst für ihre
    Pensionen aufkommen. Im öffentlichen Dienst erhalten Arbeiter und Angestellte fast 90% ihres letzten Nettoeinkommen als Rente???????? Dieser Staat ist ein reiner Selbstbedienungsladen geworden. Auch die Professoren wie Herr Rürüp nehmen die Pensionen gerne an. Abschaffen und alle muessen ohne Ausnahme in die Rente einzahlen. Das würde Herrn Prof. Rürup bzw. den Abgeordneten nicht gefallen; denn so billig kommt man nicht so einer fürstlichen Pension; so etwas ist nur in Deutschland möglich.

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