Morning Briefing: Das Palantir-Dilemma – können wir uns auf die USA verlassen?

Palantir: Die rechten Thesen des Alex Karp / Covestro-Übernahme: Bekenntnis zu Deutschland
Liebe Leserinnen und Leser,
sollten deutsche Behörden US-Software einsetzen oder aus Sicherheitsgründen lieber auf europäische Eigenentwicklungen vertrauen? In dieser Frage habe ich es bislang mit Deng Xiaoping gehalten: „Mir doch egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache, sie fängt Mäuse.“
Der einstige chinesische Staatschef hatte das auf marktwirtschaftliche Reformen im kommunistischen China bezogen. Ich meine damit: Gerade weil der deutsche Staat informationstechnisch so hintendran ist, können wir uns keine Software-Autarkieträume leisten.
Meine Überzeugung hat allerdings durch die heutige Handelsblatt-Titelgeschichte Risse bekommen. Die Reporter Felix Holtermann und Thomas Jahn haben ein ausführliches Interview mit Alex Karp geführt, dem Chef des US-Unternehmens Palantir. Es liefert Sicherheitssoftware unter anderem an die Polizeibehörden in mehreren deutschen Bundesländern. Die Bundesregierung debattiert gerade über die Einführung von Palantir-Produkten.
Diese Debatte ist auch notwendig, denn das Weltbild, das Karp im Interview offenbart, ist verstörend – zumindest für all jene, die nicht zu den Sympathisanten von Donald Trump oder Alice Weidel zählen. Vor allem bei der deutschen Migrationspolitik hat sich Karp festgebissen. Kostproben:

Mit dem letzten Satz rechtfertigt Karp übrigens, dass seine Firma auch Saudi-Arabien beliefert. Ist es eine gute Idee, die Leistungsfähigkeit der deutschen Sicherheitsbehörden einem Menschen anzuvertrauen, der zumindest nach hiesigen Maßstäben als sehr, sehr rechts gelten muss?
Aber dann ist da auch wieder die Frage nach den technologischen Alternativen made in Europe. Deren Implementierung bei den Sicherheitsbehörden würde zumindest deutlich länger dauern als die des Palantir-Produkts, wie eine Handelsblatt-Marktübersicht zeigt.
Bei einem bin ich mir allerdings ziemlich sicher. Es gibt viele Themen, bei denen ich mir Einschätzungen von US-Amerikanern bereitwillig anhöre. Wenn Karp im Interview etwa sagt:
...dann nehme ich das ernst. In Fragen der inneren Sicherheit hingegen sollten vielleicht eher die USA von Deutschland lernen, wie unsere Grafik zeigt.
Selenskyj bringt Referendum ins Spiel
Über Gebietsfragen für eine Beendigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine kann aus Sicht von Präsident Wolodymyr Selenskyj nur das ukrainische Volk entscheiden: „In Form von Wahlen oder in Form eines Referendums, doch muss es die Position des Volkes der Ukraine sein.“
Russland verlangt für einen Waffenstillstand Gebietsabtretungen und auch einen Rückzug ukrainischer Soldaten aus jenen Teilen des Donbass, die Kiew bisher noch kontrolliert. Selenskyj hatte das in der Vergangenheit kategorisch abgelehnt. Laut einer Umfrage des renommierten Thinktanks Rasumkow-Zentrum sind aktuell über 90 Prozent der Ukrainer gegen territoriale Zugeständnisse an Russland.

In ihrer überarbeiteten Version eines ursprünglich von den USA vorgelegten Friedensplans besteht die Ukraine zudem auf eine Sollstärke der Armee von 800.000 Soldaten. „Das ist die reale Stärke der heutigen Armee, das ist mit den Militärs abgestimmt“, sagte Selenskyj. In dem US-Friedensplan war von maximal 600.000 Soldaten die Rede gewesen.
Alles Aktuelle dazu in unserem Ukraine-Blog.
Covestro-Eigner bekennt sich zu Deutschland
Die bisher größte Übernahme eines deutschen Konzerns durch ein arabisches Staatsunternehmen ist seit Mittwoch perfekt: Der Ölkonzern Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und die Covestro AG haben das Closing der Transaktion im Volumen von 14 Milliarden Euro verkündet.

Ein Mann steht auf arabischer Seite dabei in vorderster Reihe: Rainer Seele leitet das globale Chemiegeschäft bei der Adnoc-Tochter XRG, zu der Covestro jetzt gehört. Der gebürtige Bremerhavener sagt im Interview mit meinem Kollegen Bert Fröndhoff: „Der Covestro-Kauf ist ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland. XRG kommt als sehr langfristig orientierter und strategischer Investor.“
Er ergänzt beruhigend Klingendes: „Covestro hat seine Wurzeln in Deutschland und wird dort auch seine Zukunft haben.“
Tesla-Management gegen IG Metall
Drei Monate vor den Betriebsratswahlen beim US-Elektroautobauer Tesla in Grünheide greift Werksleiter André Thierig erneut in den Wahlkampf ein. Das zeigen Tonaufnahmen einer internen Veranstaltung am Dienstag, die dem Handelsblatt vorliegen. Thierig sagte in Bezug auf Tesla-Chef Elon Musk: „Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass Elon, dass unser Board sich für den Ausbau der Fabrik entscheiden würde, wenn die Wahl mehrheitlich Richtung IG Metall ausfällt.“

Konzernchef und Großaktionär Musk gibt sich schon lange gewerkschaftsfeindlich. In Deutschland hält Musk insbesondere die IG Metall für eine Handlangerin der heimischen Konkurrenz – und warnte bei einem Besuch in Grünheide vor ihrem Einfluss. Trotzdem gewann die IG Metall bei der vergangenen Betriebsratswahl im März 2024 16 Sitze und wurde damit größte Einzelfraktion. Vier andere Listen errangen zusammen 23 Sitze.
Erleben statt Besitzen
Die Deutschen geben ihr Geld zunehmend für Konzerte oder Reisen aus – und weniger für Kleidung, Technik und Kosmetik. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Beratungsunternehmens Capgemini. „Reisen und Freizeit“ ist demnach die Topkategorie für Ausgaben unter den Befragten. „Wir leben in einer Gesellschaft, die immer auf der Suche nach dem nächsten Kick ist“, sagt Capgemini-Handelsexperte Achim Himmelreich. „Konzertveranstalter können mittlerweile astronomische Ticketpreise verlangen, weil die Menschen einzigartige Momente suchen.“
Bei Millennials und der Generation Z stünden emotionale Erlebnisse besonders im Vordergrund, beobachtet Experte Himmelreich – aus einem simplen Grund: „Ein Video von einem Konzertausschnitt lässt sich besser posten als ein neues Paar Schuhe.“
Au Weiher
Ein angebliches Krokodil in einem Waldweiher nahe dem oberbayerischen Pfaffenhofen hat einen Polizeieinsatz ausgelöst. Eine Spaziergängerin meldete, sie habe im Wasser den Kopf eines Krokodils gesehen. Eine Streife der Polizeiinspektion Pfaffenhofen zog das vermeintliche Tier ans Ufer. Dabei stellte sich heraus, dass es sich um eine täuschend echte, rund 30 Zentimeter lange Attrappe eines Reptilienkopfes handelte.
Angesichts des Schauplatzes vermute ich, dass wir es hier mit einer typischen Drohgebärde zwischen verfeindeten Wels- und Alligatorbanden zu tun haben. Bayern ist berüchtigt für seine organisierte Weiherkriminalität.
Ich wünsche Ihnen einen wilden Wochenausklang.
Herzliche Grüße,






Ihr
Christian Rickens
PS: Für mich gilt es, bis Jahresende noch ein paar freie Tage abzubummeln. Ab Montag übernimmt deshalb meine Kollegin Teresa Stiens das Morning Briefing. Ich bin ab dem 5. Januar wieder für Sie im Einsatz.





