Cum-Ex-Skandal: 1700 Beschuldigte, keine neuen Anklagen – Der Rechtsstaat versagt

Am Freitag wird in Hamburg wieder Theater gespielt. Olaf Scholz kommt in den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss. Kameraleute werden hastig nach dem besten Blickwinkel auf den Kanzler suchen, Mikrofone jedes Wort aufzeichnen. Dabei wird Scholz nur das sagen, was er immer sagt, wenn er über seine Rolle im Steuerskandal spricht: Er kann sich an Details leider nicht erinnern.
Noch ist Scholz Kanzler, im Cum-Ex-Ausschuss geht es um seine Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs. Bei Cum-Ex-Geschäften ließen sich die Beteiligten Steuern erstatten, die sie gar nicht gezahlt hatten. Die Hamburger Vorzeigebank M.M. Warburg mischte mit, auch die örtliche Landesbank HSH und eine Art Start-up, die Varengold Bank, verdienten beim Griff in die Steuerkasse.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft mochte sich nie für den Milliardenbetrug erwärmen. Schon das ist ein Skandal, der offenbar niemals aufgearbeitet wird. Er scheint in der Hansestadt niemanden wirklich zu interessieren.
Die komplette Straffreiheit für die Verantwortlichen wurde nur verhindert, weil eine einzelne Ermittlerin 400 Kilometer südwestlich tat, was selbstverständlich sein müsste: bei Verdacht auf eine Straftat eben zu ermitteln. Jahrelang kämpfte sich die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker mit minimaler Unterstützung durch den Steuerskandal. Im September 2019 begann der erste Prozess. 55 Verfahren mit 400 Beschuldigten warteten schon.