Editorial: Deutschland steckt in der Komplexitätsfalle
Sebastian Matthes ist Chefredakteur des Handelsblatts.
Was nun hinter uns liegt, wird vielleicht als der „Sommer des Stillstands“ in die deutsche Geschichte eingehen. Wenn die Bahn überhaupt fährt, dann nur mehr in 60 Prozent der Fälle pünktlich, Binnenschiffe stecken wegen der Trockenheit fest, dringend benötigte Windräder werden nicht gebaut – und Horrorgeschichten von Warteschlangen an Flughäfen sind Teil jedes Reiseberichts.
Das große Warten im Urlaub ist immerhin eine gute Vorbereitung für die Zeit danach am Arbeitsplatz: Abertausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich dort durch die „Online-Unterweisung“ zur Sicherheit im Büro klicken, um lebensnahe Fragen wie diese zu beantworten: „Ein Bauteil mit der Kennzeichnung F 90 hält dem Feuer 90 Minuten lang stand. Worauf weist ein T statt des Buchstabens F hin?“
Wen die Bürokratie am Arbeitsplatz nicht kriegt, der sollte sich nicht zu früh freuen. Hausbesitzer bekommen sie mit der nächsten Steuererklärung ganz sicher mittels der neuen Grundsteuererhebung zu spüren. „Das größte Projekt der Steuerverwaltung in der deutschen Nachkriegsgeschichte“, wie das Finanzministerium die Neuberechnung nicht ohne Stolz nennt, ist auf jeden Fall geeignet, Steuerzahler in den Wahnsinn zu treiben – und gleich ein paar Finanzbeamte mit. Sie halten das für übertrieben? Es ist noch schlimmer. Lesen Sie dazu unseren großen Report zum Wochenende.