Kommentar: Bei Lufthansa wurde viel Potenzial verzockt
Das Coronavirus hat den Betrieb der Airline weitgehend stillgelegt. Nun soll das Unternehmen Staatshilfe bekommen.
Foto: dpaWer hätte das zu Jahresbeginn gedacht. Lufthansa, immerhin nach Umsatz die größte Airline-Gruppe in Europa, muss mit staatlicher Hilfe vor der Insolvenz bewahrt werden. Das Coronavirus hat in wenigen Wochen eines der führenden Luftfahrtunternehmen der Welt dicht an den Abgrund gedrängt.
Insofern ist es gut, dass sich nun eine Lösung abzeichnet. Weniger gut ist hingegen, dass die politische Meinungsbildung so lange dauerte. Es wurde nicht nur wertvolle Zeit verschenkt, auch jede Menge Vertrauen wurde verspielt – bei Mitarbeitern, Kunden und Investoren.
Schon die direkten Folgen der Pandemie sind verheerend. Es ist nicht nur der Flugbetrieb, der weitgehend ruht und sicher Jahre benötigen wird, um sich richtig zu erholen. Die gesamte Strategie der „Hansa“ ist auf den Kopf gestellt worden.
Die Airline mit dem Kranich im Logo sollte einer der wichtigen Konsolidierer in Europa sein. So wollte es CEO Carsten Spohr. Weitere Zukäufe waren geplant, auch um mit den Rivalen aus Nordamerika und auch China mithalten zu können. Das ist nun Makulatur. Statt Geld in Zukäufe und Beteiligungen zu investieren, muss das Management das, was künftig erwirtschaftet wird, vor allem zur Tilgung der Verbindlichkeiten nutzen.
Noch nachhaltiger könnte sich aber das wochenlange Geschacher um das Rettungspaket auswirken. Je länger es dauerte, desto stärker kehrten die Investoren dem Unternehmen den Rücken zu. Dass die Aktie am Mittwochabend in die Höhe schoss, als erste Informationen über die Einigung in der Regierung durchsickerten, ist allein der ersten Erleichterung geschuldet.
Daraus auf neues Vertrauen der Akteure am Kapitalmarkt zu schließen wäre falsch. Lufthansa war in den letzten Tagen vor allem für zwei Investorengruppen interessant: Hedgefonds und jene, die auf fallende Kurse setzen.
Das ist bitter, war das Team um CEO Spohr doch im vergangenen Jahr angetreten, Lufthansa für internationale Investoren attraktiver zu machen. Auch das braucht die „Hansa“, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Denn ohne Zugang zum weltweiten Kapitalmarkt wird es kaum gelingen, Anschluss an die Weltspitze in der Luftfahrt zu halten.
Erbärmliches Pokerspiel
Nun, nach wochenlangem Hin und Her und einem Pokerspiel aller Beteiligten, das nur noch das Attribut erbärmlich verdient, ist das in weite Ferne gerückt. Wie beim Flugbetrieb dürfte es Jahre dauern, bis man in Sachen Attraktivität für Investoren wieder auf dem Status der Vorkrise sein wird.
Die Suche nach den Schuldigen ist müßig. Vielleicht hat die Vorstellung, bei einem so bekannten Namen wie Lufthansa mitreden zu können, bei dem einen oder anderen im politischen Berlin Begehrlichkeiten geweckt. Fliegen – das ist eben immer noch eine sehr emotionale Angelegenheit. Vielleicht haben aber auch die Verantwortlichen bei Lufthansa die schwierige Meinungsbildung in der Großen Koalition unterschätzt und sind zu fordernd aufgetreten.
Lufthansa werde nach der Krise eine andere sein, hat Konzernchef Spohr mehrfach betont. Gemeint war damit, dass die Airline-Gruppe nicht mehr so groß wie bisher sein wird. Nun ist zu befürchten, dass das Unternehmen nicht nur kleiner, sondern vorerst auch schwächer sein wird.