Kommentar: Der enttäuschende Pragmatismus von Bill Gates

Bill Gates veröffentlichte vor vier Jahren ein Buch mit dem Titel „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“. In dem Bestseller beschreibt der Microsoft-Gründer, wie gefährlich CO₂-Emissionen sind – und dass sie bis spätestens 2050 auf null sinken müssen.
Von der Dringlichkeit ist jetzt nur noch wenig zu spüren. Fast im Gegenteil: Der 70-Jährige änderte seine Einstellung grundlegend und warnt vor einer „Katastrophensicht des Klimawandels“: Sie würde den Blick auf die wahre Lage verstellen und in der Entwicklungszusammenarbeit falsche Prioritäten setzen.
Macht Gates wie so viele Unternehmer und Tech-Milliardäre einen Kniefall vor Klimaskeptiker Donald Trump? Zu beobachten war das vor wenigen Wochen bei einem feierlichen Abendessen im Weißen Haus, als 33 Silicon-Valley-Größen den neuen „Ballroom“ einweihten. Apple-Chef Tim Cook und Open-AI-Chef Sam Altman waren mit dabei, Gates hatte einen Ehrenplatz neben Melania Trump.
Aber so einfach ist es nicht, was die Sache kaum besser macht. Die Überlegungen von Gates reichen weiter zurück, als Trump im Amt ist. Einer der Auslöser war ein Buch von Hannah Richie, „Es ist nicht das Ende der Welt“, von dem Gates bereits 2023 schwärmte. Darin stellt die Datenanalystin der University of Oxford die Verbesserung der Lebensqualität im letzten Jahrhundert heraus und kritisiert die Weltuntergangsszenarien in der Klimadiskussion. So habe Großbritannien seine Emissionen auf das Niveau von 1850 gesenkt.
Es besteht die Gefahr des Nichtstuns
In der Tat, das klingt im ersten Moment überzeugend. Aber es ist wenig hilfreich, denn das 1850er-Niveau ist immer noch zu hoch. Es ist, wie Gates selbst in seinem Buch gewarnt hat: Jedes CO₂-Molekül kann eine zu lange Zeit in der Atmosphäre bleiben und die Atmosphäre erwärmen.
Die These von Gates, dass Entwicklungshilfe zu stark an Klimazielen gebunden ist, mag in Einzelfällen stimmen, ist aber kein generelles Problem. Selbstverständlich muss es bei jeder Hilfeleistung an erster Stelle stehen, dass gefährdete Menschen eine bessere Gesundheitsversorgung oder eine ausreichende Ernährung erhalten. Fakt ist aber auch, dass die ärmsten Bewohner der Welt am stärksten unter dem Klimawandel leiden werden.
Dazu kommt: Ist nicht die fehlende „Foreign Aid“ der USA eher ein Problem für Afrika oder Asien als die Klimadiskussion? In einer neuen Studie wurde berechnet, dass die US-Gelder jedes Jahr ganzen 3,3 Millionen Menschen das Leben retten. Die Entwicklungszusammenarbeit kürzt Trump jetzt massiv. Darüber verliert Gates kein Wort – auch wenn die Analyse der Todesfälle von der von ihm bewunderten Datenwissenschaftlerin Richie stammt.
Sicherlich ist Hysterie beim Klimawandel nicht angebracht. Aber eine „Alles ist schon gut“-Einstellung ist gefährlich, weil sie zum Nichtstun einlädt.
Mehr: Bill Gates plädiert vor COP30 für Anpassung von Klimazielen
Erstpublikation: 31.10.2025, 15:46 Uhr.