Kommentar: Die Abberufung von BSI-Chef Schönbohm ist zweifelhaft

Bei seiner Berufung galt er als Fehlbesetzung, dann profilierte er sich jedoch.
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine befürchten IT-Sicherheitsexperten, dass Putins Hacker auch in Deutschland vermehrt Kraftwerke und Krankenhäusern, Unternehmen und Behörden angreifen. Der Schutz der digitalen Infrastruktur ist wichtiger denn je.
Umso verwunderlicher, mit welch schwachen Argumenten Innenministerin Nacy Faeser (SPD) den Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, abberuft und die Behörde, die für IT-Sicherheit in Staat und Wirtschaft sorgen soll, ohne Führung dastehen lässt.
Die Vorwürfe hat der Satiriker Jan Böhmermann in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ aufgeworfen, und sie klingen gravierend: Schönbohm habe zu wenig Distanz zu russischen Geheimdiensten gehalten, sei gar „eine Gefahr für die Cybersicherheit“, hieß es gewohnt krawallig.
Die Beweise der TV-Macher wirken nicht überzeugend. Ja, Schönbohm hat vor seiner Berufung zum BSI-Chef einen zweifelhaften Lobbyverband gegründet. Allerdings ist er dort seit Jahren nicht mehr aktiv, weshalb man ihn kaum für die Verbindung der Organisation zu einer dubiosen russischen Firma verantwortlich machen kann. Und ja, er dort kürzlich eine Rede gehalten. Das war zwar instinktlos, aber vom Innenministerium genehmigt.
Belege, dass Schönbohm und seine Behörde unbotmäßige Kontakte nach Russland pflegten, hat aber weder der Satiriker noch das Innenministerium vorgelegt – es soll erst noch geprüft werden.
Falls nicht weitere Veröffentlichungen folgen, ist das zu wenig, um den Präsidenten der wichtigsten deutschen IT-Sicherheitsbehörde in einer Krisensituation abzuberufen.
Schönbohm verschaffte seiner Behörde Gehör
Zumal Schönbohm sich in den letzten Jahren profiliert hat. Bei seiner Berufung 2016 galt er in der Szene als Fehlbesetzung, der Chaos Computer Club (CCC) warf ihm mangelnde technische Kenntnis und unbotmäßige Nähe zur Rüstungsbranche vor.
Schönbohm verschaffte seiner Behörde jedoch Gehör, in der Politik und in der Öffentlichkeit. Dass das BSI immer mehr Stellen, Geld und Kompetenzen bekommen hat, ist der Bedeutung der IT-Sicherheit geschuldet, aber auch seinem Kommunikationsgeschick.



Und er erwies sich als ein Chef, der sich an seine Fachleute hielt und keine politische Agenda verfolgte. So sprach er sich mehrfach dagegen aus, dass Sicherheitsbehörden Schwachstellen in IT-Produkten verwenden dürfen, um beispielsweise Kriminelle abzuhören – eine Idee, mit der auch die aktuelle Innenministerin sympathisiert.
Nun hat Schönbohm selbst ein Aufsichtsverfahren angestrebt. Man darf gespannt sein, ob von den Vorwürfen etwas übrig bleibt.
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