Kommentar Die Bundesregierung muss eine Perspektive für die energieintensive Industrie schaffen

Die Tage der konventionellen Stahlherstellung sind gezählt. Das Ziel der Klimaneutralität macht neue Verfahren erforderlich.
Seit Jahren investieren Unternehmen aus energieintensiven Branchen in Deutschland weniger als sie abschreiben. Übersetzt heißt das: Sie zehren ihre Substanz auf. Noch tragen diese Unternehmen zum wirtschaftlichen Erfolg des Industrielandes Deutschland bei. Die Politik ist in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass das auch so bleibt.
Schließlich erwächst ein großer Teil der Probleme der Unternehmen aus politischen Entscheidungen. Seit Jahren steigen die Anforderungen der europäischen Klimaschutz- und Energiepolitik.
Mehr schlecht als recht ist es der Politik in Deutschland gelungen, für die betroffenen Branchen wie Stahl, Chemie, Nicht-Eisen-Metalle, Papier, Glas, Zement Ausgleichsmechanismen zu schaffen. Diese Regelungen sind jedoch nicht verlässlich. Sie sind politisch umstritten und stehen in der EU-Kommission unter dem Generalverdacht, unlautere Beihilfen zu sein.
Auch die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten im Rahmen des europäischen Emissionshandels entwickelt sich aus Sicht der betroffenen Unternehmen zur Katastrophe: Unerreichbare Benchmarks und eine dramatische Verknappung der Zertifikate sind Realität. Mit der debattierten Verschärfung der EU-Klimaziele wird sich die Situation weiter zuspitzen.
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Besonders alarmierend: Das alles ist nur der Anfang. Bis jetzt ging es darum, bestehende Anlagen zu optimieren. Künftig müssen die Unternehmen zweigleisig fahren.
Um das politisch vorgegebene Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, müssen sie weiter den Bestand optimieren und parallel in ganz neue Anlagen investieren. Konventionelle Verfahren landen dann auf dem Schrottplatz der Industriegeschichte, mit ihnen lässt sich keine Klimaneutralität erreichen. Neuen Verfahren, die ganz wesentlich auf dem Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff basieren, gehört die Zukunft.
Die Produkte, die in diesen neuen Anlagen produziert werden, sind auf den Weltmärkten nicht konkurrenzfähig. Hier ist die Politik gefragt. Es gibt einen gut gefüllten Werkzeugkasten zur Lösung der Probleme. Die Stichworte heißen CO2-Grenzabgabe, Contracts for Difference und Quotenregelung.
Auf wissenschaftlicher Ebene wird darüber viel geschrieben. Die politische Debatte dagegen steht ganz am Anfang: Einzelne Politiker haben erkannt, dass sich etwas tun muss. Offenbar ist ihnen die Dringlichkeit der Sache aber nicht bewusst.
Die Politik muss eher heute als morgen Regeln setzen, auf die sich die Unternehmen langfristig verlassen können. Das kann keine Bundesregierung allein bewirken, das geht nur im Verbund mit anderen EU-Staaten und gemeinsam mit der EU-Kommission. Es kann Jahre dauern, ehe auf diesem Wege valide Regeln entstehen. Hoffentlich kommen sie für die energieintensive Industrie noch rechtzeitig.
Mehr: Klimaneutralität wird zur Schicksalsfrage für die Industrie
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