Kommentar Die deutsche Wirtschaft braucht keine neuen Subventionen

Die Steuersenkung wird den Kaffee nicht günstiger machen, sondern den Gewinn erhöhen. Mehr Menschen lockt das nicht in den Betrieb.
Sicher, die Politik muss Wege suchen, um die daniederliegende Wirtschaft rasch wieder in die Spur zu bringen. Doch selektiven Vergünstigungen schaden meist mehr, als sie nutzen. Sie verzerren Entscheidungen zugunsten der betreffenden Branchen und zum Nachteil der übrigen. Das Institut für Weltwirtschaft beziffert die bestehenden Finanzhilfen und Steuervergünstigungen allein des Bundes auf 120 Milliarden Euro – 1500 Euro pro Einwohner.
Welche Wirkung hat das jetzt geplante Umsatzsteuerprivileg für die Gastronomie?
Ein Cappuccino kostet heute etwa 3,50 Euro. Würde die Umsatzsteuer von 19 auf sieben Prozent reduziert, müsste rechnerisch der Preis auf 3,15 Euro sinken. Da der Wirt aber kaum mit steigender Nachfrage rechnen kann – die meisten Gäste trinken genau eine Tasse Kaffee –, wird er den Preis kaum senken, sondern seine Marge erhöhen. Die Wurzel des gegenwärtigen Übels sind jedoch nicht zu geringe Gewinnmargen, sondern dass die Cafés nicht öffnen dürfen, also keinen Umsatz erzielen können. Mit dem gleichen Argument, mit dem jetzt Wirte begünstigt werden, könnte man dieses Privileg auch für Airlines, Pauschalreisen, Freizeitparks, Kinos oder Bordelle verlangen.
Was wäre stattdessen zu tun?
Eine Option wäre, allen Unternehmen zu gestatten, ihre derzeitigen Verluste zügig mit Gewinnen aus Vorjahren zu verrechnen. Die Grenzen für solch einen Verlustrücktrag könnten erweitert werden. Überdies könnte der Fiskus einmalig auf die Lohn- und/oder Umsatzsteuerzahlungen verzichten, den Zahlungstermin also nach hinten verschieben. Beides sichert den Unternehmen Liquidität.
Setzt der wirtschaftliche Aufschwung ein, ließe sich dieser durch degressive Abschreibungen beflügeln. Dadurch würden sich Investitionen rascher amortisieren. Sind diese steuerlichen Anreize befristet, wird rasches Investieren der Unternehmer belohnt.
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Einen echten Absatzschub für langlebige Konsumgüter würde die Ankündigung einer merklichen Umsatzsteuererhöhung auslösen, so wie dies 2006 der Fall war, als der Regelsatz Anfang 2007 um drei Punkte auf 19 Prozent stieg. Die Mehreinnahmen aus einer neuerlichen Erhöhung könnten teils zur Finanzierung der Corona-Folgen und teils zur gezielten Entlastung besonders konsumstarker Personengruppen mit geringen Einkommen verwendet werden.
Ob die Bürger dann ihr Geld ins Café, ins Kino oder in ein Autohaus tragen, sollte der Staat in einer Marktwirtschaft den Verbrauchern selbst überlassen. Neue Lenkungsnormen wegen Corona braucht Deutschland ganz sicher nicht.
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