Kommentar: Die größte Gefahr ist, dass die Angst sich verselbstständigt

Anzeichen für eine neue systemische Finanzkrise gibt es im Moment noch nicht.
Die Aktien der europäischen Großbanken sind in den vergangenen Tagen wegen der Coronapanik an den Märkten gehörig unter die Räder gekommen. Die Anleger machen sich Sorgen um den Gesundheitszustand der Branche. Sind die Geldhäuser, von denen einige – darunter die Deutsche Bank – immer noch im Sanierungsprozess stecken, inzwischen stabil genug, um eine heftige Wirtschaftskrise zu überstehen?
Die Frage ist berechtigt. Denn die Erträge sind wegen der anhaltend niedrigen Zinsen ohnehin schon unter Druck. Jeder externe Schock kann sämtliche Renditeziele kippen und den Spardruck noch einmal gewaltig erhöhen. Fakt ist aber auch: Anzeichen für eine neue systemische Finanzkrise gibt es – im Moment zumindest – nicht.
Das hat zwei wesentliche Gründe: Erstens sind die Großbanken heute deutlich besser kapitalisiert. Das kam nicht ganz freiwillig. Die Aufseher haben den Instituten die dickeren Kapitalpolster aufgezwungen. Das verteuerte zwar große Teile des Investmentbankings, insbesondere im Wertpapierhandel.
Es führte aber eben auch zu einem viel größeren Sicherheitspuffer im Kreditgeschäft: Faule Kredite können heute nicht mehr so schnell klaffende Wunden in die Bankbilanz reißen und ein Institut ins Wanken bringen, weil die Risiken besser mit Eigenkapital abgesichert sind.
Die Aufseher schauen sich das regelmäßig mithilfe von Banken-Stresstests an. Dort wird stets auch ein hartes Krisenszenario geprüft: eine Rezession, kombiniert mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und einem Einbruch der Aktien- und Immobilienmärkte. Fällt die Eigenkapitalquote unter eine kritische Marke, müssen die Geldhäuser nachbessern – obwohl es sich zunächst einmal nur um eine simulierte Krise handelt.
Wenn also das Coronavirus mit seiner rasanten Ausbreitung nun dazu führt, dass sich die Weltwirtschaft spürbar abkühlt oder gar in den Rückwärtsgang schaltet, dann sollten die Banken dies grundsätzlich verkraften können und nicht in Existenznot geraten. Ansonsten hätten auch die Aufseher etwas falsch gemacht.
Zweitens haben die Notenbanken ebenfalls aus der Finanzkrise gelernt. Es ist sehr viel mehr Liquidität im Markt als 2008. Die milliardenschweren Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank mögen in einigen Ländern wie Deutschland umstritten sein. Aber sie sorgen eben auch dafür, dass das Finanzsystem nicht austrocknet. Und die Banken haben einen überaus leichten Zugang zum Geldmarkt.
Wer heute also in der Coronadebatte gleich eine neue Finanzkrise heraufbeschwört, der handelt unverantwortlich. Die Banken sind gesünder, das System ist liquider als damals. Die größte Gefahr ist, dass sich die Angst verselbstständigt.





