Kommentar: Die Lufthansa braucht mehr Fokus und weniger Multi-Strategie

Es ist sonderbar. Da veranstaltet Lufthansa zum ersten Mal seit der Pandemie wieder einen Kapitalmarkttag. Das Management will den Investoren zeigen, welche Wachstumsperspektiven Europas größter Airline-Konzern hat. Doch was dominiert die Schlagzeilen? Der Abbau von 4000 Stellen in der Verwaltung.
Ob sich die Konzernführung damit einen Gefallen getan hat, ist zu bezweifeln. Der Wegfall von so vielen Arbeitsplätzen ist erst einmal ein Schock. Viele jener Lufthanseaten, die keine Uniform tragen, sind verunsichert. Dabei sollte es angesichts der Größe der Lufthansa-Gruppe möglich sein, den Abbau über gut fünf Jahre sozialverträglich zu gestalten.
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Dem gegenüber stehen nur überschaubare positive Effekte. Zwar nehmen Investoren Kosteneffekte durch einen Stellenabbau wohlwollend zur Kenntnis. Doch dieser Effekt verfliegt schnell. Rasch rücken wieder die wirklichen Probleme in den Vordergrund.
Davon hat Lufthansa so einige. Eine zu üppige Verwaltung steht nicht an erster Stelle. Die Gründe für die Probleme der „Hansa“ liegen woanders. Der Konzern ist über Jahrzehnte zu komplex geworden.
Die Lufthansa-Führung hat dieses Kernproblem – vielleicht unbewusst – am Montag den Investoren vor Augen geführt. Stolz zeigt man, dass die Gruppe im Premiumbereich den höchsten Umsatz je angebotenen Sitz und geflogenen Kilometer erzielt – jedenfalls im Vergleich mit den beiden Wettbewerbern IAG (British Airways, Iberia, Vueling und Aer Lingus) und Air France-KLM. 8,5 Cent sind es bei Lufthansa, für die beiden Rivalen nennt das Management einen Wert von jeweils 8,2 Cent. Das ist schön, aber warum bleibt dann so wenig davon unter dem Strich hängen?
Auch verweist die Konzernführung auf die herausragende Marktposition der eigenen Airlines an den großen Drehkreuzen. Die kommen in München auf 70 Prozent des dortigen Flugangebots und in Frankfurt auf 65 Prozent. Die Gesellschaften der IAG-Gruppe schaffen laut Lufthansa an Drehkreuzen wie London oder Madrid nur deutlich weniger als 50 Prozent, KLM erreicht in Amsterdam immerhin 59 Prozent, Air France in Paris dagegen nur 48 Prozent. Das liest sich gut. Aber warum kann die Kernmarke Lufthansa Airlines diese Dominanz nicht in Gewinne übertragen?
Das Management verweist auf zu hohe Kosten der Kernmarke, nicht zuletzt im Personalbereich. Doch alleine der Personalaufwand erklärt nicht, warum es der Kernmarke nicht gelingt, in Zeiten enorm hoher Flugpreise eine ansehnliche Dividende an den Mutterkonzern zu überweisen.
Die Lufthansa-Führung muss die neue Struktur auch durchsetzen
Lufthansa hat sich über die Jahre hinweg selbst eingemauert. In Tarifverträgen für jede einzelne Airline, die es fast unmöglich machen, das Personal dort einzusetzen, wo es benötigt wird. In eine Flotte, in der sich fast jedes Flugzeugmuster findet, das es gibt, was die Kosten treibt. Und in neue Kabinendesigns, die am liebsten jede Airline in der Gruppe selbst entwickelt.
Dem will die Konzernführung nun mit einer neuen Organisationsstruktur und mehr Zentralismus begegnen. Doch kann das wirklich gelingen? Zweifel sind angebracht. Die neue Struktur mit dem Namen „Matrix Next Level“ verlagert Entscheidungen in neu geschaffene Gremien. Diese werden künftig zentral im Konzernvorstand geleitet, was per se gut und richtig ist. Aber sinkt dadurch wirklich der Abstimmungsbedarf?
Zumal bisher nicht klar ist, wie stark die Führung dazu bereit ist, die neue Struktur bis in letzter Konsequenz durchzusetzen. Wer die Investorenpräsentation von Montag durchblättert, findet zwar häufig den Begriff „Fokus“, doch mindestens ebenso regelmäßig das Wort „Multi“. Wenn Lufthansa aber eines braucht, dann ist das weniger Multi und mehr Fokus.