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AuktionsnachberichtHöhenflüge in München

Die 600. Auktion bei Ketterer trotzte allem Krisengerede. Das Haus erzielte acht Millionenerlöse und einen Umsatz von brutto 48 Millionen Euro. Platz eins unter den deutschen Versteigerern ist wieder sicher.Sabine Spindler 11.12.2025 - 18:58 Uhr Artikel anhören
Robert Ketterer erzielte im Evening Sale für die komplette zehnteilige Folge von Andy Warhols „Marilyn Monroe“ knapp 4,5 Millionen Euro. Foto: Ketterer Kunst

München. Jahrzehntelang gab es Trends auf dem Auktionsmarkt. Nach den Expressionisten kam die ZERO-Welle, dann erlebte die Pop-Art ein Revival. „Heute ist das anders“, sagte Robert Ketterer dem Handelsblatt Ende letzter Woche, kurz nach den vielen Höhenflügen der 600. Auktion mit moderner und zeitgenössischer Kunst. „Der neue Trend heißt: Künstler als Marke.“ Allein die acht Millionenerlöse geben ihm wohl recht.

Andy Warhols kompletter Satz „Marilyn Monroe“ brachte Internetbieter in Europa und in New York in Fahrt. Mit einem Erlös von rund 4,5 Millionen Euro (alle Preise inklusive Aufgeld) wurden die zehn Farbserigrafien von 1968 das teuerste Los der Auktion und ein Schweizer der neue Besitzer. Die Summe liegt nur einen Schritt vom Rekord dieser Grafikedition entfernt. Christie’s verkaufte 2022 ein vollständiges Match für umgerechnet 4,7 Millionen Euro. Im Münchener Haus, das mit moderner und zeitgenössischer Kunst und ein paar untergemischten Werken des 19. Jahrhunderts an diesen zwei Tagen 48 Millionen Euro umsetzte, zeigte nicht nur Warhol die Potenz des deutschen Marktes. Thomas Schütte gilt als einer der wichtigsten Bildhauer unserer Zeit. Aber sein monumentales Werk „Bronzefrau Nr. 12“ ist keine Vitrinenfigur. Dennoch drei Bieter. Bei 1,5 Millionen Euro übernahm ein Skulpturensammler aus Frankreich die Schöne.

Die monumentale „Bronzefrau Nr. 12" aus Thomas Schüttes viel beachteter plastischer Serie „Frau" sicherte sich für 1,53 Millionen Euro inklusive Aufgeld ein Skulpturensammler aus Frankreich. Foto: Ketterer Kunst, VG Bild-Kunst

Zu den Millionenerlösen zählt auch Ernst Ludwig Kirchners moderat auf 500.000 Euro taxiertes Gemälde „Sertigweg“ von 1937. Für 1,1 Millionen wechselte es den Besitzer. Aber selbst große Namen unterliegen Bewertungsschwankungen. Während der einzige Farbabzug von Kirchners Holzschnitt „Frauen am Potsdamer Platz“ für beachtliche 838.500 Euro weitergereicht wurde, fielen das Gemälde „Leuchtturm hinter der Bucht“ und die Farblithografie „Russisches Tänzerpaar“ zur Taxe von 200.000 Euro durch. Grandios klingen die 2,6 Millionen Euro für Hermann Max Pechsteins Gemälde „Inder und Frauenakt“ aus der Frühzeit des Expressionismus. Der Beifall des Saals blieb jedoch aus. Denn 2011 hatte das bewusst schroff gemalte Bild von 1910 hier den Rekord für ein Pechstein-Werk gebracht: 3,5 Millionen Euro brutto. Kommentar Robert Ketterers: „So einige Sammler, die beim Expressionismus bis zum Äußersten gehen, fehlen heute.“

Sie fehlten nicht, als Wassily Kandinskys Meisterwerk „Behauptend“ aus seiner Bauhaus-Zeit aufgerufen wurde. Kurz nach der Entstehung 1926 kaufte Salomon Guggenheim das Werk direkt beim Künstler. In München setzte sich ein Schweizer bei 3,1 Millionen Euro gegen US-amerikanische Konkurrenz durch. Das Gemälde war Teil einer Berliner Sammlung, die laut Ketterer 13 Millionen Umsatz realisierte. Ein Füllhorn stark bebotener Werke: Ernst Wilhelm Nays rhythmische Farbenchoreografie „Helle Chromatik“ von 1962 erzielte 593.400 Euro. Der einzige Guss von Georg Kolbes Bronze „Verlangen“ von 1923, eine kraftvoll modellierte Hockende, erforderte 619.200 Euro, das dichte Liniennetz „Soffitto alla b.c.“ des Avantgarde-Künstlers Piero Dorazio 670.800 Euro. Aus dieser Sammlung stammte auch das bislang unbekannte Aquarell „Reiter in Landschaft“ von Otto Dix. Das farbstarke Blatt von 1917 in expressionistischer Manier kletterte von taxierten 20.000 auf 245.100 Euro.

Ein Bietgefecht entfachte im Day Sale die 1913 entstandene, kubisch aufgeteilte Ansicht der „Datscha in Kislovodsk" des Russen Aristarkh Vasilevich Lentulov, die von geschätzten 20.000 auf 1,1 Millionen Euro inkl. Aufgeld gehoben wurde. Foto: Ketterer Kunst

„Die Käufer für hochwertige Kunst sind da, aber sie kaufen nicht alles“, analysierte Robert Ketterer die 16 Retouren seines Evening Sales. Lucio Fontanas impulsives, braunes „Concetto Spaziale“ von 1960, Willi Baumeisters „Kegelspiel mit Schaukel“ von 1947/53 und auch Blinky Palermos letzte Arbeiten vor seinem Tod, die bis heute nicht im Werkverzeichnis aufgenommen wurden, gingen in den Nachverkauf. Für den Evening Sale vermeldet das Haus eine losbezogene Quote von 84 Prozent und zugleich eine wertbezogene Quote von 155 Prozent. Da fällt eine bemerkenswerte Steigerung wie die für Asger Jorns Leinwand „Une mime de rien“ nicht unwesentlich ins Gewicht. Lange konkurrierten ein Telefonbieter und ein Schweizer Galerist um das malerisch dichte, gestische Werk, das vor neun Jahren bei Sotheby’s umgerechnet 482.000 Euro kostete und nun bei 350.000 Euro startete. Die bewilligten 851.400 Euro des Berliner Käufers sind laut Artprice ein Deutschland-Auktionsrekord für den Cobra-Künstler. Den Umsatz der Herbstsaison inklusive Onlineauktion beziffert Ketterer mit 52,5 Millionen Euro brutto. Das bedeutet wiederum Platz eins unter den deutschen Versteigerern.

Karl & Faber erzielte in seiner Auktion „Moderne und zeitgenössische Kunst“ mit einem Werk Kandinskys den ersten Millionenerlös des Hauses. Die schwebende Komposition „Beruhigt“ erreichte 1,3 Millionen Euro. Foto: Karl & Faber

Sein Rezept hat sich bewährt: mit international gefragten Künstlern und hoher Qualität weltweit finanzstarke Interessenten zu erreichen. Nicht zum ersten Mal spielt die US-amerikanische Avantgarde der 1960er- und 1970er-Jahre eine Rolle. Das wandfüllende, 1958 entstandene Gemälde „Dalet Vav“ von Morris Louis, einem Pionier des Color Field Paintings, geht für 645.000 Euro in die USA zurück. Mittlerweile reicht der Käuferradius bis nach Asien. Martha Jungwirths zwischen Gestischem und Figürlichem schwankende, großformatige Neuinterpretation von Goyas „Maja“ übernahm bei 361.200 Euro ein Sammler aus Taiwan. Zu Ketterers selbstbewusster Überzeugung, dass München „heute eine feste Größe des internationalen Kunstmarktes“ sei, führte vielleicht auch der überraschende Erlös von 1,1 Millionen Euro für Aristarkh Vasilevich Lentulovs kubisch aufgeteilte, auf 20.000 Euro geschätzte Ansicht der „Datscha in Kislovodsk“ von 1913, die der Russe kurz nach seinem Paris-Aufenthalt malte. Ein Saalbieter mit osteuropäischem Akzent, im Auftrag eines amerikanischen Sammlers agierend, unterlag im langen Bietgefecht einem Händler aus Deutschland.

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Das 1960 entstandene Gemälde „Les trois règnos“ der konkreten Malerin Aurélie Nemours erzielte bei Karl & Faber mit 41.910 Euro einen Preis auf internationalem Topniveau. Foto: Karl & Faber

Einen Tag vor Ketterers geballtem Topangebot erzielte ebenfalls in München Karl & Faber in seiner Auktion „Moderne und zeitgenössische Kunst“ mit einem Werk Kandinskys den ersten Millionenerlös des Hauses. Die schwebende Komposition „Beruhigt“, auch in der Bauhaus-Zeit entstanden, erreichte 1,3 Millionen Euro. Ernst Ludwig Kirchners verso und recto bemalte Leinwand mit Motiven von 1909 und 1931 konnte für 825.500 Euro nur unter Vorbehalt zugeschlagen werden. 355.000 Euro gab es für Jean Dubuffets erdig-braune Leinwand „Le Petit Tour de Piste“ von 1958. Einen Preis auf internationalem Topniveau erzielte mit 41.910 Euro das Gemälde „Les trois règnos“ der konkreten Malerin Aurélie Nemours. Trotz einer hohen Rückgangsquote verkündet Karl & Faber für den Herbst 2025 einen Umsatz inklusive aller anderen Sparten und Onlineauktionen von zwölf Millionen Euro. In München ging was.

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