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KommentarDie Schweizer Banken-Blamage

Die feine Privatbank Julius Bär hat leichtfertig Kredite vergeben. Nach der Beinahepleite von Credit Suisse vor einem Jahr erschüttern die fahrlässigen Geschäfte das Vertrauen in den Finanzplatz Schweiz.Michael Maisch 01.02.2024 - 18:25 Uhr
Ein Kreditskandal kostet den Chef der Schweizer Bank Julius Bär seinen Posten.  Foto: Reuters

Diskret, effizient und vor allem zuverlässig – diese Werte haben den Finanzplatz Schweiz über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte groß gemacht. Nur zwölf Monate reichten jetzt aus, um den Wertekanon und die heile Welt der Schweizer Bankiers zu zerstören – mit tatkräftiger Unterstützung der Regulierungsbehörden freilich. 

Im vergangenen Frühjahr stand mit Credit Suisse das zweitgrößte Geldhaus des Landes kurz vor dem Kollaps und musste vom eidgenössischen Branchenprimus UBS aufgefangen werden. Eine lange Serie von Skandalen und haarsträubende Fehler beim Risikomanagement hatten die Großbank zu Fall gebracht. Jetzt hat sich die neue Nummer zwei, Julius Bär, mit ziemlich ähnlichen Fehlern völlig ohne Not in Schwierigkeiten gebracht. 

>> Lesen Sie hier: Julius Bär tauscht CEO aus und schreibt Signa-Kredite ab – Aktie legt deutlich zu

Das ehrwürdige Schweizer Geldhaus hat der Firmengruppe des Immobilienpleitiers Rene Benko 586 Millionen Franken geliehen und muss das Geld jetzt vollständig abschreiben. Nun ist Julius Bär nicht Credit Suisse. Der Beinahekollaps des Bankriesen im vergangenen Frühjahr führte zu einem herben Vertrauensverlust – und stellte für ein paar bange Tage eine große Gefahr für die gesamte europäische Finanzbranche dar.

Julius Bär ist sehr viel kleiner, hat ein sehr viel stabileres Geschäftsmodell und ist bei Weitem nicht so eng vernetzt mit der globalen Finanzwelt. Während Credit Suisse 2022, im letzten Geschäftsjahr der Bank, einen Verlust von sage und schreibe 7,3 Milliarden Franken anhäufte, erzielte Julius Bär trotz des Benko-Desasters im vergangenen Jahr noch immer einen Gewinn von 454 Millionen Franken. Außerdem sieht die Bank bislang keine Anzeichen dafür, dass Kunden als Folge der Kreditverluste Geld abziehen. 

Das Vertrauen in das europäische Finanzsystem wird die Bär-Affäre also kaum erschüttern, aber dem Finanzplatz Schweiz hätte das Geldhaus keinen schlechteren Dienst erweisen können. Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher versucht zwar, den Eindruck zu erwecken, dass er energisch durchgreift. Konzernchef Philipp Rickenbacher muss gehen, die Privatbank dampft einen Teil ihres Kreditgeschäfts ein und streicht die Boni von Rickenbacher und fünf an den Kreditentscheidungen beteiligten Topmanagern. 

Aber das wird nicht reichen, um einen Schlussstrich unter die Affäre zu ziehen – zu hanebüchen sind die Fehler, die sich die Julius-Bär-Manager ankreiden lassen müssen. 

Klumpenrisiko im Kreditbuch

Der 600-Millionen-Franken-Problemkredit stammt aus dem sogenannten Private-Debt-Buch des Geldhauses. Bei diesem Geschäft geht es um strukturierte Darlehen an Superreiche, die mit Vermögenswerten der Klienten besichert sind. So weit, so normal, solche besicherten Kreditkonstruktionen gehören zum Tagesgeschäft jedes Vermögensverwalters, der sich um wohlhabende und sehr wohlhabende Kunden kümmert.

Deutlich weniger normal ist allerdings die Größenordnung des Einzelengagements. Die knapp 600 Millionen Franken stehen für 40 Prozent des gesamten Private-Debt-Buchs der Bank.

Man muss kein Finanzmathematiker sein, um zu erkennen, dass ein solches Klumpenrisiko nicht gerade den goldenen Regeln des umsichtigen Risikomanagements entspricht.

Das hätte eigentlich auch die Schweizer Finanzaufsicht Finma deutlich früher erkennen können. Wie schon im Fall Credit Suisse werden sich die Kontrolleure die Frage gefallen lassen müssen, warum sie nicht schneller und energischer eingegriffen haben.

Die vergangenen zwölf Monate haben den Finanzplatz Schweiz erschüttert, und dieses Beben wird noch lange nachhallen. Das Land steht jetzt mit einem zwar soliden, aber viel zu großen Bankriesen da. Die Bilanzsumme der UBS ist nach der staatlich orchestrierten Notübernahme von Credit Suisse fast doppelt so groß wie die jährliche Schweizer Wirtschaftsleistung.

Und die neue Nummer zwei, Julius Bär, steht bis auf Weiteres unter dem Verdacht, dass sie ihre Risiken nicht im Griff hat. Nicht gerade optimal für einen Finanzplatz, dessen bisherige Kernkompetenz eigentlich der umsichtige und geräuschlose Umgang mit Kapital war.

Mehr: 300-Millionen-Euro-Darlehen von Signa Tochter werfen Fragen auf

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