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KommentarDonald Trump führt die USA zum transatlantischen Bruch

Wer immer noch damit rechnet, dass der US-Präsident eine Eskalation im Handelskonflikt scheut, handelt fahrlässig. Trump lässt sich nicht mäßigen.Jens Münchrath 13.07.2025 - 14:31 Uhr
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Donald Trump: Der US-Präsident zeigt sich im Zollstreit mit der EU bisher unnachgiebig. Foto: AP

50 Prozent für Brasilien, 35 Prozent für Kanada, 30 Prozent für die Europäische Union – der US-Präsident lässt seinem handelspolitischen Furor freien Lauf. Es ist nur der jüngste Reigen von Strafzöllen, die Donald Trump den Betroffenen neuerdings per Brief mitteilt. Zum 1. August sollen sie in Kraft treten, sofern die Handelspartner beziehungsweise -gegner keine substanziellen, in den meisten Fällen höchst selbstschädigenden Zugeständnisse machen. Das neuerliche Ultimatum, so Trump, sei „fest, aber nicht hundertprozentig fest“.

Es gilt also wie immer: Alles ist möglich, auch das Gegenteil. Sektorspezifische Zölle, reziproke Zölle, ergänzend oder auch nicht – niemand blickt mehr durch. Und man darf annehmen, dass genau darin das Kalkül des Handelskriegers im Weißen Haus liegt: maximalen erpresserischen Druck ausüben, maximale Verwirrung stiften.

Die möglichen Folgen für die Weltwirtschaft und selbst die US-Wirtschaft sind kaum absehbar – und die zugrunde liegende Logik bleibt krude: Brasilien trifft es, weil Trumps brasilianischer Amtskollege Präsident Lula da Silva es wagt, ein Verfahren gegen Ex-Präsident und Trump-Buddy Jair Bolsonaro wegen eines Putschversuchs nicht zu verhindern. Kanada trifft es, weil das Land den Kampf gegen den Drogenhandel angeblich nicht entschlossen genug angeht.

Die Begründung der Strafzölle gegen die EU folgt zumindest noch scheinbar einer ökonomischen Argumentation, wobei Trump auch hier völlig falschliegt. Denn der US-Präsident richtet seinen Blick allein auf die Warenströme, bei denen die EU im bilateralen Handel tatsächlich einen Überschuss von 197 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Bezieht man jedoch die ökonomisch langfristig viel relevanteren weil technologiegetriebenen Dienstleistungen mit ein, sieht das Bild anders aus: Hier steht für die USA ein Überschuss von 148 Milliarden Euro zu Buche. Das gesamte Handelsdefizit der USA mit der EU beträgt weniger als 50 Milliarden Euro. Auch das ist nicht zu vernachlässigen, bewegt sich aber in einer völlig anderen Dimension als das US-Defizit im Handel mit China, das sich auf umgerechnet 256 Milliarden Euro beläuft.

Und auch die Tatsache, dass der Handel kein Nullsummenspiel ist und das Defizit im Warenaustausch vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass der amerikanische Staat und seine Verbraucher nicht sparen, sondern auf Teufel komm raus konsumieren, interessiert Trump nicht.

Wie lange bleiben die Märkte gelassen?

Fest steht: Ein Strafzoll von 30 Prozent auf Produkte aus der EU liegt noch zehn Prozentpunkte über den am „Liberation Day“ Anfang April angedrohten Zöllen, als Trump dem Rest der Welt den Handelskrieg erklärte. Sollte es so kommen, würde das nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit vieler europäischer Unternehmen auf dem amerikanischen Markt schwer beschädigen. Es wäre der endgültige Bruch der transatlantischen Partnerschaft. Der Herr im Weißen Haus wartet jetzt auf Angebote aus Brüssel bis zum 1. August. Sollte die EU mit Gegenzöllen reagieren, würde Trump auf diese noch mal 30 Prozent drauflegen.

Zölle

„Die US-Regierung experimentiert und testet an den Märkten, wie weit sie gehen kann“

Mehr Hybris, mehr Willkür, mehr Regelbruch geht nicht. Der Präsident wendet erpresserische Mafia-Methoden an, die er sich auch deshalb glaubt erlauben zu können, weil die Finanzmärkte anders als an jenem „Tag der Befreiung“ bislang auffällig gelassen reagieren.

In der Folgewoche des „Liberation Day“ hatten die Kurse von Dollar, amerikanischen Anleihen und Aktien kräftig nachgegeben, was in den  stark von ausländischem Kapital abhängigen USA einen Schock auslöste. Sogar Trump musste das einsehen – und verkündete ein Moratorium.

Seine Strategie, jedes Land einzeln abzuhandeln, scheint zumindest mit Blick auf die Märkte aufzugehen. Auf eine Unterstützung der Anleihemärkte – damals noch der wichtigste Verbündete der Europäer –  können sie nun nicht mehr rechnen.

Der langfristige Schaden für die USA ist hoch

Wie also reagieren? Gar nicht reagieren, um den laufenden Verhandlungen doch noch eine Chance zu geben? Doch noch die Gegenzölle aktivieren, die die EU für den 15. Juli angekündigt hatte, jetzt aber erneut verschoben hat? Oder gar offen mit einer machtvollen Vergeltung, etwa einer Sanktion gegen die US-Tech-Unternehmen, drohen?

Den offensichtlichen Erpressungsversuchen nachzugeben, käme zwar einem Offenbarungseid gleich. Aber um ein Angebot an Washington wird Brüssel nicht herumkommen. Zu groß wäre der mögliche Schaden. Zumal die sicherheitspolitische Abhängigkeit von den USA Europas Handlungsspielraum stark einschränkt.

Der derzeit gültige Basiszollsatz von zehn Prozent für die meisten Waren, ausgerufen am sogenannten „Befreiungstag“, wird sich nicht einfach wegverhandeln lassen. Trump will mit den Zolleinnahmen seine Steuersenkungen finanzieren.

Tatsächlich sind die Einnahmen aus den bisherigen Strafzöllen beträchtlich, wobei Trump verschweigt, dass die US-Verbraucher einen großen Teil davon finanzieren. Denn letztlich wälzen die Unternehmen die Zölle über höhere Preise auf die Konsumenten ab.

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Wenn Europa sich darauf einigen könnte, die durchschnittlichen Zollsätze für US-Produkte – die vor Beginn des jüngsten Handelskriegs ohnehin bereits über denen der USA lagen – zu senken, wäre schon einiges gewonnen. Beide Seiten könnten davon sogar profitieren – das ist die Logik des Freihandels.

Trump könnte ein solches Verhandlungsergebnis zu Hause als Sieg verkaufen. Ohnehin käme es auf die Details an, die – ausgehend von einem Grundsatzabkommen – in monatelangen Verhandlungen in einen Vertrag münden würden.

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Derweil könnte die EU noch einmal deutlich machen, dass auch sie über handelspolitische Macht verfügt, nicht nur wegen des weltweit größten Binnenmarkts, sondern auch aufgrund der Abhängigkeit amerikanischer Digitalkonzerne von ebendiesem Markt. Derweil könnte Europa seine Anstrengungen verstärken, den Rest einer regelbasierten Handelsordnung zu retten, indem es möglichst viele Allianzen mit Drittländern eingeht.

Diese souveräne Gelassenheit kann sich Europa vor allem aufgrund einer Gewissheit leisten: Es sind USA selbst, die langfristig den größten Schaden davontragen werden. Nicht nur wegen der mutwilligen Zerstörung der Lieferketten, sondern vor allem wegen des globalen Glaubwürdigkeitsverlusts der westlichen Führungsmacht. Vertrauen zerstört sich in wenigen Momenten. Es wieder aufzubauen, dauert Jahrzehnte.

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