Kommentar: Eine Kaufprämie nur für Elektroautos ist eine schwere Niederlage für die Branche

Die Pkw-Nachfrage ist auf das Niveau von 1991 gesunken, die Stimmung ist schlechter als während der Finanzkrise.
Lange wurde gestritten, nun steht fest: Die Bundesregierung lehnt in ihrem Mittwochabend beschlossenen Konjunkturpaket Subventionen für den Kauf von Autos mit Verbrennungsmotor ab.
Dass nun nur die bestehende Kaufprämie für Elektroautos und teilelektrische Fahrzeuge auf bis zu 6000 Euro verdoppelt wird, ist nach den ebenso forschen wie lautstarken Forderungen von Verbandspräsidentin Hildegard Müller und den Auto-Chefs eine Überraschung – und eine schwere Niederlage für die Branche. Auch wenn mit Plug-in-Hybrid-Modellen auch Verbrennungsmotoren indirekt gefördert werden.
Wochenlang hatten die Chefs von Volkswagen, Daimler und BMW für staatliche Hilfen geworben, um den Pkw-Absatz wieder anzukurbeln. „Wir brauchen dringend ein Konjunkturprogramm für die Autoindustrie“, forderte VW-Chef Herbert Diess. Als wirksamstes Mittel dafür schwebte Daimler-CEO Ola Källenius eine möglichst einfache Kaufprämie vor – „pauschal für alle Produkte“. Diesel, Benziner, Hybride und Elektroautos sollten gleichermaßen subventioniert werden, befand auch BMW-Boss Oliver Zipse.
Doch die Lenker der drei Dax-Konzerne fanden dieses Mal kein Gehör in Berlin. Das ist umso erstaunlicher angesichts der desolaten Lage: Die Leitindustrie leidet massiv in der Coronakrise – und mit ihr die deutsche Wirtschaft. Die Pkw-Nachfrage ist auf das Niveau von 1991 gesunken, die Stimmung ist schlechter als während der Finanzkrise.
Wer bei dem 57 Punkte umfassenden Beschlusspapier der Koalition zwischen den Zeilen liest, könnte sogar eine kleine Spitze entdecken. Unter Punkt 35, in dem es um die Maßnahmen zur Stärkung der Mobilität geht, heißt es unter anderem, hierzu solle „der Strukturwandel der Automobilindustrie begleitet“ werden. Ein Schelm, wer dabei an „beschleunigt“ denkt.
Denn obwohl die deutsche Autoindustrie mehr als ein Drittel der gesamten weltweiten Ausgaben für Forschung und Entwicklung der Branche beisteuert, hat sie die erste Runde der Elektromobilität verschlafen. Der Dieselskandal hat obendrein Ansehen und Vertrauen gekostet.
Die Entscheidung der Politik gegen eine Kaufprämie für alle Antriebsraten zeigt, dass der Einfluss der mächtigen Industrie bröckelt und längst nicht mehr so stark ist wie noch vor ein paar Jahren. Die Branche und ihre Vertreter können sich nicht mehr auf die bedingungslose Unterstützung aus den Berliner Reihen verlassen. Und das ist auch gut so.
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